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Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)

Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)

Titel: Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schulz
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natürlich seit Jahrzehnten, und sie hatte zur inzwischen probaten Regel gemacht, sich keinesfalls tiefer in Onnos Sumpf einzumischen, als sie ihn notfalls an den Haaren wieder würde herausziehen können.
    Zu Haus hatte er weitere Anzeichen von Entfremdung offenbart. Den Riemen der Reisetasche noch über der Schulter, blieb er vorm offenen Wohnzimmer stehen und schaute hinein.
    »Was ist«, fragte Edda, mit einem Bein bereits Richtung Küche unterwegs, um Teewasser aufzusetzen. Sie hatte am Freitagnachmittag auf ihre Teilchen verzichtet, um sich je ein Stück Käse-Sahne und Mailänder Mascarpone heute gönnen zu können. Am Samstag hatte sie sich eine stundenlange Putzorgie erlaubt; zur Musik von Robbie Williams, Meat Loaf und Cat Stevens die Blumen umgetopft; sogar die Gehörne und das Hirschgeweih entstaubt und die Miniaturen aus den Setzkästen genommen und mit Seifenwasser abgespült; die waldgrüne Stoffdecke zur Verbrämung der Kuhlen und Löcher in der »Onnomane« (Raimund) bereits am Freitagnachmittag gewaschen und nunmehr faltenfrei hindrapiert, einladend, ja heischend. Und nun stand Genosse Gemahl schweigend da und starrte.
    »Was?!« drängte Edda, gewappnet für ein onnoeskes Kompliment. Ein herzhaftes, neckendes Zitat aus Die Waltons o.   s.   ä. Und Onno, blind wie ein Maulwurf, sagt was? »Ist ja nicht gerade Feng-Shui, hier, nech.« Als sehe er die Wohnung zum ersten Mal.
    Eddas Perplexität flirrte zwischen Beschämung und Empörung, und ihre jahrzehntelange Übung in Onnomantie veranlaßte sie, ihn vorerst nicht weiter zu beachten. Wenn es etwas Beachtenswertes gäbe, würde es sich eines Tages offenbaren. (Und das tat es dann ja auch.)
    Vor der offenen Balkontür blieb er mit demselben Gestus stehen. Starrte auf den tiefschwarz glänzenden Raben, dem Edda ein Vollbad verpaßt hatte. »Und?« sagte er nur, und Edda: »Was ›und‹. Ach so. Na ja. Bringt nicht viel, zugegeben. Vielleicht sollten wir CDs aufhängen und Silberpapier ums Geländer wickeln.«
    »Pumpgun«, sagte Onno, und ihre Unkenntnis, daß es eine solche als Wasserwaffe gab, verstärkte ihr Unbehagen. Derartig martialische Scherzchen waren seine Sache eigentlich nicht.
    Den gewünschten Kartoffelsalat mit Würstchen vertilgte er undankbar.
    Das Ende des Tatorts konnte er nicht mehr abwarten, bevor er sich die Köchin vorknöpfte. Bis der Groschen bei ihr fiel, dauerte es ewig; immerhin war es Monate her, daß letztmalig er die Initiative ergriffen hatte, anstatt wie quasi jeden letzten Samstag im Monat sie. Anfangs hatte sie angenommen, er albere nur ein wenig herum – spiele eine Szene aus dem Krimi nach oder so –, doch ab einem gewissen Steigungsgrad ließ die Eskalation keine anderweitige Deutung mehr zu.
    Am Morgen des Montags, den 3.   Mai, um zwanzig vor acht ging sie bei Onnos Iguanodonkrach aus der Wohnungstür. Auf dem Weg zu Liliput verfolgte sie ihr Spiegelbild in jedem geeigneten Schaufenster, um sich zu vergewissern, daß sie noch nicht watschelte.
    Vor Jahren schon hatte Onno einmal auf ihre Selbstanklage hin verlautbart, er würde es geradezu begrüßen, wenn sie korpulent würde – ja, seinetwegen gerne gar »dick« –, Hauptsache, »du fängst nicht an zu watscheln, nech«. (Vor dem »Watscheln der Tauben« ekelte er sich, wie sie wußte.)
    Und genau diese Faustformel war es, die sie für sich selbst aufgestellt hätte, wenn sie ihr eingefallen wäre. Watscheln markierte definitiv den Übergang zum Selbstwertverlust. Auf ihren sinnlichen Ladytrott war sie stolz. (Nichtsdestoweniger wünschte sie sich sehnlichst ein Fahrrad. Die Strecke zu Liliput war um reichlich die Hälfte zu lang, als daß sie sie als angenehm zu gehen empfand, und zu kurz, um den Guano zu bemühen.)
    Montagnachmittags (wie auch mittwochs) hatte sie drei Stunden Spielgruppe mit den Zwei- und Dreijährigen, und wenn sie gegen halb sechs von der Arbeit heimkehrte, war Onno gewöhnlich bereits auf dem Weg zum Tischtennis. Das traf sich gut, denn der Montag war der anstrengendste Tag der Woche, und da war sie die ersten Stunden des Feierabends gern ein wenig allein.
    Als er vom Après-TT zurückkehrte, schlief sie schon. Ab Dienstag, den 4.   Mai, schien er ihr beinah wieder der Alte zu sein, und die Entwicklung setzte sich unter der Woche fort. Er behauptete unaufgefordert, Nick Dolan sei mit seiner Arbeit zufrieden gewesen, und ich, Stoffel Dannewitz, sehe durchaus Entwicklungspotential in puncto Detectei Viets. Zwar gebe es noch

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