Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)
Nebenbuhler war! Wobei es für ihn überhaupt keine Frage mehr zu sein schien, daß es einen gab.
Und so pflegte Onno – infolge einer jener zahlreichen antirationalen, ja paradoxen menschlichen Regungen – die Vorstellung, diesen Wissensvorsprung nicht vergeuden zu dürfen. Diesen Pfeil einstweilen lieber noch im Köcher zu verwahren.
Und zweitens fragte sich Onno: Würde Quecke nach einem solchen unbefriedigenden Abschluß des Auftrags nicht umgehend mich, Dannewitz, anrufen, mir, Dannewitz, sein, Queckenborns, Mandat entziehen, woraufhin umgehend ich, Dannewitz, ihn, Onno, anrufen würde und ihm meine Freundschaft entziehen? Geschweige, je wieder einen Cent Kredit gewähren? Geschweige, ihn vor Gericht vertreten, wenn er wegen Steuerhinterziehung verknackt würde? Natürlich dachte er das nur aus einem Reflex zur Inschutznahme meiner Person gegen seine eigene – er wußte genau, daß ich das nie täte. (Über den komplizierten Geldfluß an der ARGE vorbei machte er sich hingegen überhaupt keinen Kopf – das überließ er völlig seinem Kumpel und Anwalt.)
Der eigentliche Auslöser, sich ein weiteres Mal willfährig dem Schicksal zu überlassen, hatte jedoch womöglich in jenem neuerlichen Erlebnis mit den Engeln des Satans bestanden. Als er voller Haß registriert hatte, daß die Tauben Eddas Plastikraben nicht nur ignorierten, sondern demütigten, packte ihn die eiskalte Pratze der existentiellen Verzweiflung im Genick. So genügsam er im Grunde seines Wesens war, so gesegnet mit Zufriedenheitstalent: Geriet seine mentale und psychische Stärke, seine Resilienz unter phobischen Einfluß, so schwächelte er wie Clark Kent in der Nähe von grünem Kryptonit. Und so kam es, daß Onno (wieder einmal) eine Entscheidung mit dem Beil fällte, anstatt sie mit dem Pfeil zu treffen. Angetrunken und unterströmt vom phobiegesteuerten Wahn, einen vernichtenden Gegenschlag vollführen zu müssen – wofür er Geld brauchte, Geld für ein Netz, mit dem man den Balkon verhängen könnte; Geld für eine Desensibilisierungstherapie oder wenigstens für eine dieser Plastikpumpguns, mit Hilfe derer man den Biestern einen gebündelten Strahl heißen Wassers auf den verlausten Fiederpelz brennen könnte –; befangen, ja verstrickt in der Hoffnung, in einem nur fünftägigen Aufwasch alle seine vordringlichsten Probleme erledigen zu können, sagte Onno zu.
Und von alldem abgesehen (er hat es stets bestritten, aber ich weiß es): Es gefiel ihm der Gedanke, beruflich zu verreisen.
Was also blieb uns übrig, als ihm viel Glück und Erfolg zu wünschen? Weder einzelne Befindlichkeiten noch die Atmosphäre insgesamt waren dazu angetan, aufwendige Detailanalysen und die Globalkritik seines Unternehmens zu betreiben. Es wäre ja mal eine Nachfrage wert gewesen, wie Onno sich dabei fühlte, ggf. einen Gärtner bei einem Arschloch ausgerechnet vom Ausmaß eines Nick Dolan anzuschwärzen. (Wovon unsereins ja ein Lied singen konnte.)
Wie auch immer, hier im muffigen Keller des Tre tigli wollte keine rechte Stimmung aufkommen. Draußen herrschte in aller Hemdsärmeligkeit der sommerlichste Hamburger Aprilabend, und Carina kriegten wir nur in Sternschnuppenfrequenz zu sehen. Wir hockten hier im muffigen Keller, und nach seinem zweiten Bier knurrte Raimund: »Ich hab das Gefühl, Schnorf starrt die ganze Zeit auf meinen Skalp.«
Onno sagte: » Zounds ! Verdammte Rothaut, wenn ich mich nicht irre, hihihi!«, und Ulli, ohne auf seinen halbkahlen Giebel auch nur zu deuten: »Jetzt weiß ich, wer das war.«
Um Carina an unseren Tisch zu locken, half diesmal leider kein Mückenstich. (Obwohl die Plage in der vergangenen Woche durchaus zugenommen hatte. Der Höhepunkt der öffentlichen Hysterie sollte allerdings erst im Sommer kommen.) Nahezu sentimental ließen wir den Moment noch einmal wieder aufleben, als sie EP den Ellbogen gesalbt, und den, als Raimund Onnos osteopathisches Mißverständnis generierte. (Immer wenn ich daran denke, fällt mir Nabokovs folgende, wie immer haarfeine Beschreibung ein: Kaum hatte ich in meinem Zimmer das Licht gelöscht, da kam es auch schon, jenes ominöse Gesumm, dessen gelassener, klagender und achtsamer Rhythmus zu der tatsächlichen verrückten Geschwindigkeit der Kreisbewegungen des teuflischen Insekts in so sonderbarem Gegensatz stand. Man wartete im Dunkel auf die Berührung, man holte einen wachsamen Arm unter dem Bettzeug hervor – und gab sich selber eine mächtige Ohrfeige, so daß sich
Weitere Kostenlose Bücher