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Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)

Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)

Titel: Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schulz
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die Straße eng und überaus kurvig, und schnellte man eine Kuppel hinauf, dann ins Ungewisse. Das bleiche Orange der hohen Zwillingslaternen bot nur die nötigste Vorschau. Schilder schrieben als Höchstgeschwindigkeit achtzig km   /   h vor, doch Händchen reizte die Möglichkeiten so aus, daß sein Fahrstil so grad eben noch nicht zum Rallyemodus deklariert werden mußte. Die Mittelstreifen reflektierten das Scheinwerferlicht, ebenso wie der durchgehende Seitenstreifen, und sobald Händchen die Riffelung mit den 255er-Pneus seines Mammuts berührte – also alle Naslang –, gaben sie einen sägenden Warnton von sich.
    »Hast du gar keine Angst, daß sie dir den Lappen abnehmen?« fragte Onno, und Händchen puterte, »welchen Lappen, Diggär!«
    Dann begann die Autobahn, und Onno atmete auf. Blaue Schilder wiesen die Richtung, Palma und Portals Nous. Zunehmend belebten Irrlichter und Farbe die Finsternis der jungen Nacht. Die Ausstrahlungen der Laternen waren gelber, aus den Bergen funkten Leuchten von Fincas und Villen. Mehr kleine rote Heckaugen, näherrückend, mehr große weiße Frontaugen, entgegenrasend. Gegen die schwachstrahlende La-Palma-Korona hinterm Berg zeichneten sich Zypressenumrisse ab. SOS – Säule, Katzenaugen auf den Leitplanken, 300   m, 200   m, »biegen Sie rechts ab«, so die »Navi-Nutte« (Fiona – nur weil Tibor von »erotischer Stimme« gesprochen hatte). Schilder: Costa del Planes, Portals Nous, und schließlich Port de Portals.
    »So nennt sich der mondäne Yachthafen unterhalb der Siedlung Portals Nous«, las Fiona im Funzellicht der Binnenlampe aus dem Reiseführer vor. »Er zieht alle an, die sehen und gesehen werden möchten, auch Spaniens Königsfamilie; die Liegeplätze sind die teuersten der Insel. Dazu paßt der Hafenboulevard mit seinen Edelboutiquen und Nobelrestaurants wie dem ›Carmen‹ – schade, daß wir schon gegessen haben. Ach nee, hier: Ohne Tischbestellung geht eh nix.«
    Onno war gebürtiger Stulle-Pulle-Typ, und »für waam« reichte ihm im Prinzip irgendein Quatsch mit Soße. Nicht, daß er deswegen nicht eine Art scheeler Bewunderung hegte für den Feinschmecker, Weinkenner, Hobbykoch. Oh, das Universum der Düfte und Aromen, und oho, all die erotischen Assoziationen! Ah, die Kochkunst, und aha, der ganze genießerische Überbau!
    Weil igitt, das Gegenteil. Wer zugab, daß ihm eine Delikatesse wie zum Beispiel ein Salzwiesenlamm den Buckel runterrutschen konnte, gab zugleich alles zu, alles von leichter Stieseligkeit bis hin zu schwerer Impotenz – das war Onno vage, aber durchaus bewußt. Gut: Kürbissuppe mit Garnelenspieß, Blattsalat mit Orangen-Vinaigrette und Roquefort-Nocken, Spaghetti mit Miesmuscheln, Barolo-Schmorbraten mit frischem Grünkohl sowie karamellisierten Kartoffeln und schließlich Marzipan-Parfait mit Ananas-Kompott? »Jawohl«, tönte dabei selbst ein Onno Viets. »Gut!« Doch den gleichen Genußwert bescherten ihm, ehrlich gesagt, drei bis vier Würstchen mit Senf. Nur schneller.
    Wenn er selbst mal den Kochlöffel schwang – selten genug (»Zum Glück«, so Edda mir gegenüber flüsternd am Telefon) –, dann für Edda. Für Onno bedeutete Essen in erster Linie Kraftstoffzufuhr. Notdurft, mit Verlaub. Daß sein Stoffwechsel dreimal pro Tag das gleiche Gequengel anstimmte, empfand er als Niedertracht der Schöpfung. Niemand hatte ihn bei seiner Geburt gefragt, ob er damit einverstanden wäre – warum auch noch dafür begeistern? An manchen Tagen bereitete ihm die Nahrungsaufnehmerei so viel Freude wie dreimal Reifenflicken.
    Insofern hatte Onno Probleme, die Szenerie da im Carmen richtig einzuordnen, als die Hamburger Kombo den wie frisch gefeudelten Kai entlangschlenderte, rechter Hand Yachten, linker Hand – hinter einer Reihe haushoher Palmen – das Gehäuse des Restaurants. Ein edler Alu-Glas-Pavillon auf Natursteinsockel, dessen Niveau zu entern drei tiefe, aber flache Stufen im Eingangsbereich einluden, ebenso indirekt ausgeleuchtet wie das ganze Terrarium. Im Innern des großzügigen Schaukastens alles schwarzweiß. Runde Tafeln mit bodenlangen weißen Tischdecken, komplett ausgelegt mit blinkendem Besteck und funkelnden Gläsern, schlanken und bauchigen, Salz- und Pfefferphalli und transparenten Minaretten voll lumineszierendem Essig und Öl. Sanft entflammt herrscht Stearinlicht, und kerzengerade sitzen schwarzgekleidete junge Frauen graugekleideten alten Männern gegenüber, die’s sich auf ihren

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