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Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)

Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)

Titel: Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schulz
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er in Panik ausbrechen kann. Schnelle Reflexe und flache Affekte schließen sich keineswegs aus, und deswegen vermag Onno zwischen dem Stoßächzen unmittelbar nach dem Abschuß und dem Eintauchen noch reichlich Atemluft zu hamstern. Dann sortiert er erst mal die Eindrücke.
    Akute: Eisschock, heiß wie Feuersbrunst. Kiloschwere Klamotten. Schrumpfgeschwindigkeit Skrotum Mach >1. Gliedertaubheit. Haare schwer zu Berge. Gehörschotten dicht. Via Schädelknochen Geblubber.
    Jüngst vergangene: ein Schnauben im Nacken. Vier, fünf Druckpunkte im Schultergürtel – die konzentrierte Abschußgewalt. Chi. Ein spitzer Schrei: »Niiicht!« Flug, Sinkflug, Wasserung, Untergang.
    So weit etwa war Onno in der Registratur vorgedrungen, als er wegen der gespeicherten Luft im Thorax und dem Salzgehalt des Wassers aufging wie ein Korken. Und gleich darauf schlug eine 132-Kilo-Arschbombe neben ihm ein (jetzt, im April, wog sie noch vier Kilo mehr als später im August), und schon fühlte er sich rücklings gepackt. Spürte einen mittelhart gepumpten, rugbyeidicken ›Bizep‹ am Hals, geschmeidig vom Salzwasser. Spürte seinen oberen Rücken dito auf Muskeln gebettet und das Steißbein auf einer Art Kalmar, fest und weich zugleich. »Bleib ruich, Diggär«, hörte er. »Finger wech, ich hab dich zu fassen, Diggär.«
    Zwischen Enkeltöchter- und Mütterlichkeit hin- und hergeworfen, fummelte Fiona die ganze Zeit der Rückkehr ins Haus an Onno herum. Oh-nee- und õ:::-Orgien. Zog ihm im Fahrstuhl das Leibchen über die Rübe, und noch bevor er protestieren konnte, hatte er’s geschehen lassen. »Was ist das denn!« rief sie aus; »das ist doch nicht eben passiert, oder?«, und Händchen: »Bist unter die U-Bahn gekommen, Diggär?«, und Onno erwähnte einen heftigen Zusammenprall mit seinem TT – Doppelpartner Tage zuvor. Händchen sagte nur: »Mensch, du klapperst mit den Zähnen, Diggär, da wird ’ne Flamencotänzerin geil bei.«
    Trotzdem mußte er sich erst Händchens Erfolg anschauen – der dessen Stimmung abrupt gedreht hatte –, bevor er im Haus in einen weißen Bademantel schlüpfen durfte. »Hier, Diggär, siehste? Schönes rundes Loch.« In der Tat. Wie ein Einschußloch kleinsten Kalibers. Hinter der Scheibe hing an einem Stück Angelsehne der Schnuller eines blauen Luftballons, der Rest in Fetzen.
    Immerhin bescherte Onno dieser Zwischenfall die Rechtfertigung, das Essen in Port d’Andratx ausfallen zu lassen. »Muß mir trockene Klamotten besorgen.« Sie machten einen Zeit- und Treffpunkt an der Ma-1A aus, wo sie in die Ma-1 überging, und dann fuhr Onno nach Cala Fornells zurück, ins Hotel Casa Maria, ordnete seine Eindrücke und stellte fest, daß er für den parapornographischen Schnappschuß nicht Fionas Kamera, sondern Raimunds genommen hatte.
    Und die Wahrheit war: versehentlich. Denn eigentlich hatte er sich schon dagegen entschieden, als er sie – bei seiner Ankunft – auf den Tisch gelegt hatte.
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    So daß er während ihres abendlichen Ausflugs die ganze Zeit erwartete, daß Fiona oder Händchen ihn auf den in ihrem Speicher fehlenden speziellen Shoot ansprachen. Taten sie aber nicht.
    »Na, wie war’s in Port d’Andratx?« hatte Onno gefragt, nachdem er in den Porsche Mammut zugestiegen war. Schon wieder dicke Luft, und Fiona sagte düster: »Wie in Düsseldorf.«
    Händchen sagte gar nichts.
    »Ich hatte St. Petersfisch mit fritierten Zwiebeln und Paprika in Öl, und Tibor hatte mallorquinische Sepia. Ganz lecker«, fügte sie mit einer Trauer hinzu, die wieder diesen Knuddelreflex in Onnos großväterlichen Synapsen auslöste. »Ja, es war langweilig«, sagte sie, als habe Händchen darauf nur gewartet, und als er immer noch nichts sagte, fügte sie hinzu: »Mir ist kalt.«
    »Kalt? Wir haben zehn Uhr abends«, sagte Händchen daraufhin, »und das sind noch achtz’n Grad draußen, Diggär.«
    »Hier drinnen ist es kalt«, sagte Fiona. Falls sie anstrebte, durch gespielte Patzigkeit ein Signal der Erleichterung zu setzen, daß Tibor wieder mit ihr sprach, traf sie den Ton genau.
    »Dann knips dir doch«, sagte Händchen, »das Mösenstövchen an.«
    »Das hallo was? Geht’s noch?«
    »Die hallo Sitzheizung, du Schaf, Diggär.«
    Und schon war das Eis wieder gebrochen. Fiona kicherte. »›Mösenstövchen‹! Wie süß ist das denn! Du Sau!«
    Es war dunkel hier draußen in den Bergen. Der Asphalt war vorbildlich plan und gaukelte bessere Bedingungen vor, als es gab; in Wirklichkeit war

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