Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Op Oloop

Op Oloop

Titel: Op Oloop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juan Filloy
Vom Netzwerk:
Franziska fiebert …«
    Der Arzt zeigte sich nun hochmütig, unerschütterlich.
    Die drei Anwesenden verlangten mit ihren Blicken die Behandlung der Kranken. Doch er blieb unbeirrbar und brachte im Geheimen eine kompensierende Schmährede zur Reife. Die Bestürzung, die seine Gleichgültigkeit hervorrief, verwandelte sich daraufhin in mitleidheischende, drängende Blicke. Entgegen seiner Pflicht blieb er unerweichlich, rührte sich keinen Fingerbreit. In dieser Lage erreichte die dramatische Spannung ihren Höhepunkt. Die drei Blicke schienen ihn zum Hinaufgehen zwingen zu wollen, indem sie ihr Funkeln zu Stahl verhärteten. Ohne Erfolg. Er war fest in seinem Groll verankert.
    »Ich möchte keine weiteren Possen. Bringen Sie sie in ein Irrenhaus … Geben Sie ihr Zyanid … Auf Wiedersehen.«
    Die Blüten, das Beste der Pflanzen, verraten die Zugehörigkeit zu ihrer Familie. Ebenso die moralische Haltung, das Beste des Menschen. Doktor Daniel Orús, Vater des gleichnamigen Arztes, hatte gerade durch ähnliches Verhalten die Zugehörigkeit beider zur gleichen Familie aufgezeigt.
    Ist es möglich, nach oben zu stürzen? Die drei stürzten auf jeden Fall. Der Schrecken kehrt die Empfindungen um. Ohne sich dessen bewußt zu sein, stiegen sie die Treppen hinauf, als würden sie sich nach unten werfen.
    Op Oloop lag weiterhin lang ausgestreckt da, allein, wie ein Schiffbrüchiger.
    Das in den Gezeiten heranschäumende Meer wirft all das an den Strand, was ihm nicht eigen ist oder nicht in ihm wohnt: Wasserleichen, Strandgut, Überreste von in Unwettern gesunkenen Schiffen. Ebenso der Instinkt: Er wirft all das ans Äußere des Seins, was ihn davon abhält, sich in den tiefgreifenden Rhythmen der Materie zu wiegen. So überwindet zum Beispiel der Sexualtrieb die Zensur, die Verhaltensmaßregeln und die Moral, die ihn hemmen. Der Selbsterhaltungstrieb besiegt mit ebensolchem Egoismus die Ohnmachten, Traumata und Kollapse, die die Lebenskräfte durch vorübergehende Schwächungen oder unvorhergesehene Nervenattacken zu Boden strecken.
    Wenn Op Oloop in diesem Augenblick die Kontrolle über sich besessen hätte, dann hätte er die Wahrhaftigkeit dieser Aussage bestätigen können. Doch dem war nicht so. Sein Hirn war eine Camera obscura am freien Tag des Personals. Kein einziger Gedanke, kein einziges Bild. Er erwachte auf höchsten Befehl des Instinkts.
    Als er sich aufrichtete, waren die glänzenden Glasschränke, die ordentlichen Archive, der kostbare Zierat seines Geistes draußen in der hall arrangiert. Er konnte sich nicht erklären, wie sie dort hingekommen waren, und fühlte kaum mehr als eine enorme Leere. Sein Kopf entsprach nicht seinem normalen Format, sondern hatte sich auf die Maße des Raumes vergrößert, in dem er sich befand.
    Er zitterte am ganzen Körper.
    Mechanisch setzte er sich den Hut auf und fand seinen Stock. Er marschierte in Richtung der Haustür. Als er den Flur durchquerte, widerfuhr ihm etwas Seltsames. Er paßte nicht hindurch. Das Luftgebilde in seinem Kopf zwang ihn, alle Kraft aufzuwenden. Nachdem er den Gehsteig erreicht hatte, erhellte sich sein blasses und betrübtes Gesicht in einem Ausdruck höchsten Genusses.
    Leer, völlig leer, ohne zu wissen wohin, begann er zu laufen. Unempfänglich für den Geräuschpegel und den Gestank des Verkehrs, führte ihn sein gleichmäßiger, automatischer Schritt weg, bloß weit weg. Zu einem Ort, an dem seine außerordentliche Luftblase explodieren könnte. Denn durch Zerplatzen, nur durch Zerplatzen, würde er zur Dimension seiner Wirklichkeit zurückfinden.
    Und er lief, lief, lief.
    Franziska hatte währenddessen, dank der vielfachen Fürsorge, ihre Sinne wiedererlangt. Den Seh- und den Hörsinn, weiter nichts. Ihr ungereimtes Gerede, verrücktes Vögelchen, schwang sich mit Aussetzern aus dem Nest ihres Mundes zum Flug auf. Ihre feine, gerade Nase weitete sich und verzog sich dann zu einem Rümpfen. Das luxuriöse Parfüm eines feuchten Urwaldes schien sie einzubalsamieren und sogleich mit seiner Schärfe zu verletzen.
    Ihre verkrampften Finger verwoben sich mit ihren Haaren und dem Spitzenbesatz ihrer Bluse.
    Bei der Gouvernante, der einzigen Person, die gelassen blieb, kam in der allgemeinen Verwirrung das Urteilsvermögen zum Zuge. Die übrigen, in ihrer Trübsal gefangen, behinderten ihre Anordnungen in dem Bestreben, nützlich zu sein. Die Abwesenheit des Arztes quälte sie. Der Chauffeur hastete davon, um einen anderen herbeizurufen.
    Auf

Weitere Kostenlose Bücher