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Op Oloop

Op Oloop

Titel: Op Oloop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juan Filloy
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Seine Zärtlichkeit, seine Hoffnung, seine Ehre zitterten erniedrigt vor der schwankenden Majestät seiner Tochter.
    Die Annalen der Psychiatrie enthüllen den Zusammenhang zwischen einigen Zuständen der Anomalie und Unregelmäßigkeiten im Verlauf der Menstruation. Ist einmal die Pubertät durchlaufen, verschärft die Entfaltung des Geschlechtstriebs diesen Konflikt. Und das Opfer fällt Situationen von Hysterie oder Melancholie anheim, in denen es hauptsächlich zu Delirien voller Mystizismus oder Verfolgungswahn kommt, gemeinsam mit anfallartigen Neigungen zur Pyromanie und Trunksucht. (Franziska befand sich an diesem Scheideweg des Alters, wo der Geschlechtstrieb einmal das Feuer zu suchen scheint, um die Libido zu entzünden, und ein andermal den Alkohol, um den Durst der Begierde zu stillen.)
    Die Weisheit der Väter sorgt sich oft um die psychosexualen Muster der Töchter. Belauert ihre Ruhelosigkeit, analysiert ihre Triebe, ergründet ihre Krisen. Doch weiter geht sie nicht, denn diese Weisheit erschöpft sich in der allgemeinen Feigheit. Bis zum Leiden zu dringen, zu diagnostizieren, ist einfach. Das Schwierige in unserem Stadium der Zivilisation ist es, heroisch zu sein, das Heilmittel ohne Heuchelei zu verabreichen. Die gängige Moral, die alle Arten der Beschränkungen der Instinkte erlaubt und sie mit unsäglichen Schand- und Schuldgefühlen quält, hat eine schimpfliche Kasteiung verordnet, indem sie das Fleisch in die Buße versenkt, anstatt es in der strahlenden Freiheit seines Genusses zu überhöhen. (Franziska fühlte sich als Opfer. Bestürzt und erschreckt, heulte sie vom lichten Grund ihres Rausches her gegen die familiäre Orthodoxie und die vorgefaßten Meinungen an, die ihre Triebe zurückhielten.)
    Jeder Vater weiß, daß das Heilmittel seiner Tochter im Hosenschlitz des Mannes hängt, den sie liebt, oder im Hosenschlitz irgendeines beliebigen Mannes, der ihre Triebkraft wie ein Magnet anzieht. Trotzdem verspüren Väter nie die »Verpflichtung«, es ihr zu verabreichen oder sie gewähren zu lassen. Sie ziehen es vor, daß sie abgezehrt und schmachtend der Schwere des Jungfrauendeliriums erliegen, als sie mit den Blüten der urzeitlichen Sinnenlust auf Wangen und Brüsten erstrahlen zu sehen. (Franziska, anima plorans, sackte welk in einem tränenlosen Schluchzen zusammen.)
    Wenn das Gesetz nicht mehr verdammen würde, wenn die Religion nicht mehr verdammen würde, dann schlüge vielleicht erneut die Stunde des alten Olymp, in der Götter und Menschen die Herrlichkeit des Fleisches feierten und sich ergötzten. Es wäre möglich, daß die Väter dann ihre Dämme aus Skrupeln niederreißen und die sturzbachartige Wahrhaftigkeit des Lebens frei fließen lassen. Und daß die Töchter dann die männlichen Attribute erobern, von denen sie besessen sind, um sie ebenso wie vormals die Jungfrauen und Matronen in über dem Herzen getragenen Amuletten und Kameen als Symbole für das Wohlbefinden der Spezies zur Schau zu stellen.
    Franziska brach plötzlich aus ihrer Verinnerlichung aus. Katzenhaft wand sie sich und kämpfte darum, eine andere Flasche aus der verchromten Bar zu ergreifen. Sie schaffte es nicht. Die Hände, die sie liebkosten, hielten sie davon ab. Ihre Augen, die sie in der Anwandlung von Wahnsinn überweit aufgerissen hatte, verkleinerten sich nach dem gescheiterten Versuch bis hin zu einem sarkastischen Blinzeln. Durchgeschwitzt blickte sie langsam vom Vater zur Gouvernante und besudelte sie mit ihrer ätzenden Abfuhr.
    »Ich bitte dich, Tochter! Stell dich nicht so an! Komm mit mir.«
    Sein Flehen verstärkte ihre Abscheu. Sie schnitt ein herbes und verbissenes Gesicht, und mit ungezügelter Raserei schien sie ihm vom Grunde ihrer Seele aus zuzuschreien: »Henker! HENKER! HENKER!«
    Sie stolperte vorwärts. Fühlte ihren Kopf nicht. Wie der Charlotte de Cordays, als er den infamen Fußtritt des Henkers erhielt, rollte der ihrige und behinderte ihren Gang.
    Es gelang ihnen nicht, sie zu zügeln. Unter Stürzen erreichte sie den Fuß der Treppe in der hall.
    Dreimaliges dringliches Klingeln und das auf dem Fuße folgende Hereinstürmen eines Polizeibeamten und eines Wachtmeisters ließen sie stillstehen.
    »Wo ist der Verletzte? Wo ist der Verletzte?«
    Es war die Stimme desselben Inspektors, der sich wenige Stunden zuvor um den Verkehrsunfall des Autos gekümmert hatte, welches Op Oloop befördert hatte. Derselbe Inspektor, der von Neugierde gepackt wurde, als er dessen Delirieren

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