Op Oloop
angenommen, daß die Ehemänner zu Teilhabern an weitreichenden Gefühlsgemeinschaften werden, wie sich auf die Schrillheit eines reizbaren Charakters wie dem des Konsuls von Finnland einstellen!
Wer es gewohnt ist, den Kardinaltugenden seine Ehrerbietung zu erweisen, wird von bösen Vorahnungen befallen, wenn er Zeuge von Vertrauensmißbrauch oder Untreue in der Freundschaft wird. Van Saal, der eine tröstliche Ausnahme darstellte, konnte dieses Unbehagen nicht ganz unterdrücken. Und während das Auto dahinraste, brummelte er seine Schmährede gegen die beiden; denn man muß die Dinge offen herauslassen, auch wenn im Inneren der Stachel einer unheilbaren Trostlosigkeit steckt.
Auf der von Bäumen überschatteten Avenida wurden die Lichter der Schaufenster entzündet.
Wären die subtilen Mechanismen der Metapsychik bereits für die Telepathie gerüstet, hätten die von Van Saals Gehirn ausgesendeten Wellen den mentalen Apparat des Konsuls mit Sicherheit vor Ärger vibrieren lassen. Doch soweit ist es noch nicht. Der Großteil der Menschen ist für den umfassenden Empfang fremden Denkens noch undurchdringlich. Dennoch, es gibt bereits ein Rumoren. Und auch wenn sich die Vorgefühle noch nicht zu Worten konkretisieren, nehmen doch selbst die Abgestumpftesten ihr Treiben in den Ohrmuscheln wahr und das plötzliche Gefühl der Beklemmung im Herzen.
Während er den Lichtschalter des Arbeitszimmers betätigte, fühlte der Hausherr ein lästiges Brennen im rechten Gehörgang.
»Jemand denkt gerade schlecht über mich«, murmelte er und lächelte gezwungen.
Nach einer telefonischen Unterredung mit dem Chef des Protokolls hatte der Inspektor soeben mit dem Kommissar seiner Wache gesprochen. Sein Gesicht drückte zweischneidiges Empfinden aus: des Triumphs über die Treffsicherheit seiner Herzenseingebung und der Enttäuschung über den Befehl von oben, das Verfahren einzustellen. Für ihn lag eine Mauschelei vor. Ausgebildet im systematischen Zweifel, vermutete er hinter jeder Staatsräson ein unwürdiges Übereinkommen zwischen denen, die das Heft in der Hand haben. In diesem Fall wurde ihm das schändliche Bündnis umso offensichtlicher, als der Wachtmeister ihm wichtigtuerisch mehrere Blutflecken auf dem Boden zeigte und er erfuhr, daß Piet Van Saal sich heimlich davongemacht hatte, der Bewachung durch den Untergebenen spottend.
»Nun gut, Señor«, sagte er mit ironischem Unterton, »meine Anwesenheit hier ergibt keinen Sinn mehr.«
Der Konsul hätte schweigen, ihm die Tür öffnen und ihn gehen lassen sollen. Doch er ließ sich zu der Dummheit hinreißen, seinen nordischen Bräuchen treu zu bleiben. Da er zufrieden war und in neuer Ruhe prangte, dachte er nicht an das geflügelte Wort, das besagt, daß jede Schmeichelei an den Besiegten eine Beleidigung ist. Er sah nicht, daß der Inspektor mit diesem Ausgang eine Beeinträchtigung seines Ansehens als Detektiv erlitt. Und töricht lud er ihn auf einen Tee ein: »Kommen Sie, kommen Sie, es ist alles vorbereitet. Es gibt Fischschnittchen, nach finnischer Art, die werden Ihnen schmecken.«
Der Polizeibeamte, der langsam rot sah, konnte sich nicht länger zurückhalten. Und er warf ihm verzweifelt an den Kopf: »Hören Sie auf mit dem Blödsinn, Señor … Ich bin nicht hergekommen, um Tee zu trinken, sondern um ein Verbrechen aufzuklären … Sie mögen noch so sehr Konsul sein, doch mich führen Sie mit einem solchen Durcheinander nicht in die Irre … Hier gibt es Blutspuren, Señor … Hier wurde ein Mann verletzt, Señor … Ein armer Verrückter, wie ich selbst heute nachmittag feststellen konnte … Glauben Sie, Sie können mich mit Schnittchen kaufen? … Dies ist ein gemeines und schweres Verbrechen … Ihre eigene Nichte hat es ausgerufen … Ein angesehener Arzt, Doktor Daniel Orús, hat die Leiche gesehen … Was wollen Sie mit dem Chef des Protokolls? … Ist er vielleicht Lazarus, um ihn wieder zum Leben zu erwecken? … Tee trinken! … Tee trinken! … Sie haben sich geschnitten, wenn Sie denken, Sie hätten mich in die Irre geführt …«
Und er ging bebend vor Verärgerung hinaus, die Unterlippe in einer von Erbitterung vergifteten Fratze vorgeschoben.
Die Erniedrigung hatte ihn wildes Zeug reden lassen. Seine Gedanken waren ebenso wie Schokoladentäfelchen in einem Automaten zusammengepackt, wohlgeordnet, um sie einen nach dem anderen herauszugeben. Doch zum Schluß zerfiel der Stapel und alle stürzten unordentlich und haufenweise
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