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Op Oloop

Op Oloop

Titel: Op Oloop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juan Filloy
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Tode eingeschlossen. Das Leben – das für Goethe die Struktur einer Menschenmenge darstellt und für Kant die einer Nation – wird nicht durch das Ableben eines oder Tausender der integrierten Teilchen ausgelöscht. So ist für gewisse chronisch Kranke die Lebensreise nichts weiter als ein Trauergeleit, das mit tödlicher Sicherheit in der Nekropole endet, wenn die infizierte Materie endgültig aufhört zu bestehen.
    Vom physiologischen Gesichtspunkt aus ist der Organismus ein Verband chemophysischer Elemente, vereint durch das Zusammenspiel der Körpersäfte und den Zusammenhalt der Nervenstränge. Der Mißstand einer dieser beiden Gruppen beeinträchtigt zwar durch das entstehende Ungleichgewicht das restliche Lebensguthaben, reißt jedoch nicht die Persönlichkeit hinweg. Sie besteht fort. Oder besser gesagt: besteht unterschwellig fort. Wenn die Materie dann von den unterscheidenden Merkmalen befreit ist, kehrt sie zur Einfachheit des Ewigen zurück. Denn aus demselben Grund, aus dem der Einzeller in seiner Umwelt unsterblich ist, läßt die Krone der Schöpfung in der ihren ein unbegrenztes Überleben nicht zu.
    Franziska und Op Oloop waren von der Welt entrückt. Doch da der Zusammenhalt der Nerven aufgelöst worden war, bewirkte diese Entrückung nichts weiter, als sie in die dem Fleisch vorbehaltenen Sphären zu versenken, in denen es per se regiert; die Sphären, in denen das Fleisch aus sich herausgeht, sich gegen die äußeren Zwänge verteidigt und entspannt, frei von jedem rationalen Joch seine eigene Sprache spricht, nämlich die Sprache des Instinkts.
    Die Nebel, die die Ecken des Parks und des Schlafgemachs wattiert hatten, verflüchtigten sich … Nun war es eine straffgezogene Nacht. Eine Nacht aus Atlasstoff, auf die Staffelei der Egozentrik gespannt.
    Das Wort ist eine immerwährende Anomalie des Menschen. Hellsichtige Menschen können diese mentale Deformation sehen, die eine Blase vor ihrem Mund bildet. Zusammengesetzt aus Gedanken und Formulierungen, aus Ideen und Atemzügen, aus Gefühlen und Ausbrüchen, kann diese Blase anziehen oder abstoßen. Gewisse Scharlatane, die unablässig durch die verbale Kloake ausscheiden, bieten einen wahrhaft monströsen Anblick. Was für ein Privileg ist die unschuldige Intuition der verstandeslosen Wesen! Ihre Sprachlosigkeit beinhaltet höchstes und rigoroses Verständnis, das nicht ständig einen Unterschied macht und dem Wandel unterworfen ist. Ihre Stummheit ist nur die Leinwand, auf der der Ekel und das Verlangen des Instinkts gebrochen und aufgefangen werden. Baudelaire wußte das: «… in meinem Gram ertrage / Ich nur des Tieres unumhüllten Trieb.« Sie sind so besonnen, verstehen sich so gut, daß sie sich niemals irren. Deshalb kennen sie das Lachen nicht: eine infame Verirrung, eine vom Menschen erfundene Entschuldigung, um über den Atavismus seiner Intelligenz hinwegzukommen!
    Für Franziska und Op Oloop ist die Nacht bereits perfekt. Eine Nacht aus Amethyst und Obsidian. Eine Nacht reinster Überweltlichkeit. Eine Nacht von dunkler Durchdringlichkeit, in der die Stimmen wetterleuchten. Eine intime Nacht, die die Entfernung in einem einzigen Herzen zusammenschmelzen läßt.
    Franziska und Op Oloop ahnen ihre Anwesenheit voraus.
    Die geschmeidige Luft läßt kein Blätterrauschen zu. Doch sie hören das Murmeln ihrer Seelen, entfernt noch, wie eine vedische Hymne durch den Dschungel. Sie lauschen und nehmen einander auf. Sie lauschen und baden in ihrer wellenförmigen Ausstrahlung. Sie fühlen sich schon: eine Lebensblase in einer anderen Lebensblase; eine Traumkugel in einer anderen Traumkugel. Dann vereinen sie sich. Vereinen sich telepathisch in der Wonne einer pythagoräischen Entrückung.
    Unterdessen verharrt der Himmel in der verzauberten Lähmung, die er bei Erdbeben zur Schau stellt. Und sie sprechen, sprechen, während die Stille sachte eine hermetische Symphonie komponiert.
    »…«
    »Fran-zi … Fran-zis-ka …«
    »Ja … Hier …«
    »Bist du das, Franzi? Ja! Du bist es. Ich erkenne den Glanz deines Diadems und die zinnoberrote Flamme, die sich von deinen Lippen löst.«
    » Ja , my darling, ich bin es. Aber … warum diese körnige Luft, diese gebirgige Landschaft, die deine Worte abschleift und aufrauht?«
    »Oh!«
    »Ich bitte dich! Mach es nicht noch schlimmer mit deinem Erstaunen! Es versetzt die Umgebung in Aufruhr und bringt eine Epidemie trüber Dämpfe mit sich.«
    »Doch der Himmel ist rein. Ein Himmel für

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