Op Oloop
erzeugte sein Widerhall in ihm Unbehagen. Er hatte kein Vaterland. Er glaubte nicht an ausschließliche Güte, die an den Grenzen eines jeden Staates aufhört, sondern an die Böswilligkeit aller, bevor sie nicht vom heiligen Feuer und dem Weihwasser der Revolution gereinigt wurden. Und da er von der Universalität des Geschlechtstriebs ausging, ohne sie auf Regionen oder Orte zu beschränken, bliesen die im Bewußtsein Wache stehenden Skrupel zum Aufstand und verlangten nach einer Berichtigung jener patriotischen Beteuerung. Der Tumult wuchs an, bis er ihn vollends beherrschte. Er hörte das einem ironischen Horn gehorchende Gedankenwirrwarr. Sein Charakter litt unter jener Verspottung seines Irrtums. Doch er setzte sich durch, definitiv. Sein Patriotismus war das Mark, das auf synthetische Weise nach der Entfaltung einer großen universalen Liebe gewonnen wird. Er erinnerte sich, diesen Gedanken bei verschiedenen Anlässen gehegt zu haben. Bei dieser Gelegenheit wiederholte er ihn und zerstreute wie durch Zauberei den Schandfleck, der sein Antlitz umwölkte.
Er stand auf.
Schlürfte langsam zwei Schluck Whisky.
Er war gelassen.
Eine porteña von plastischer Schönheit, in einen enganliegenden Anzug aus Silberlamé gezwängt, bemerkte, daß der Wiedergewinn seiner Kräfte ihn zugänglich machte. Die Absicht, ihn zu erobern, ließ sie ihren lasziven Pomp übertreiben. Sie glitt tänzelnd heran. Ihr Schlafzimmerduft bestrich sachte die Nasenlöcher des Statistikers. Durch wollüstigen Chic und verführerisches Spielen mit ihrem Gaze-Kragen deutete sie ihre Werbung an. Ihre Ohren warteten achtsam auf den Ruf …
Der dennoch nicht erfolgte.
Sofort, kaum daß er ihrer Finten gewahr wurde, klassifizierte Op Oloop ihren Mangel an Stil, ihre Natur einer derben Venus, verschönert durch die Verliebtheit einiger Dummköpfe. Er verachtete diesen Frauentyp, der seinen ganzen Stolz in eine hübsche Verpackung legt. Die Dummheit macht sich die camouflage der Schönheit zunutze. Und ohne zu wissen warum, wandte er den Blick von ihrer strahlenden Eitelkeit ab.
Unglückseligerweise.
Die Betrübnis wurde noch größer. Seine Aufmerksamkeit landete im schattigen Türrahmen von Kustaas Zimmer, dessen Licht gerade erloschen war.
Der Anblick des Galans störte ihn über alle Maßen. Ekel und Haß. Es war ein kleines und kantiges Individuum, das sich im Gehen die Weste zuknöpfte. Seine zitronengelbe Haut trug den Glanz des noch nicht getrockneten Schweißes der Sinnlichkeit. Und seine Augen eine zufriedene Süße! In der Absicht, sich seine Gesten anzueignen, folgte Op Oloop ihm Schritt für Schritt mit dem Blick. »Die Landsmännin« interessierte ihn schon nicht mehr, in einer Ecke dahingeworfen, mit offenem blonden Haar, das über die eine Hälfte ihres Gesichts und den Ausschnitt fiel. Er dachte nicht einmal an sie. Er dachte an ihn. Besser gesagt, er schien die Psyche des Galans durchlöchern zu wollen und rang darum, die Beschaffenheit seines Glücks zu erkennen, das Warum seines gnadenvollen Lächelns und der Kräfte, die seinen siegreichen Kolben bewegten. Das Ergebnis der Untersuchung entsprach nicht seinen Bemühungen. Das einzige, was es bestätigte, war die Aussage, daß jene die besten Liebhaber sind, die äußerlich am wenigsten von der Natur gesegnet sind. Und während er derartige Sinnenlust in diesem mickrigen Körper beglaubigte, preßte er sein Kinn gegen die Brust, um sich selbst anzusehen und seine eigene Trostlosigkeit zu messen.
Ein flötenartiges Stimmchen ließ ihn auffahren: »Nun gut. Bis bald, Madame.«
Und während der Galan in Richtung des Ganges wackelte, befiel ihn ein Gefühl der Hemmnis, das ihn fest und stumm dastehen ließ, genau wie einen im Dienst eingeschlafenen Rekruten der Wache.
Man merkte, daß er litt. Durch seinen Schmerz von allem abgegrenzt, was nicht Schwermut war, erdrückte ihn zu guter Letzt die Beharrlichkeit seines unglückseligen Schicksals. Augenbrauen und Mundwinkel waren nach unten gebogen. Eine pessimistische Maske. Sein mattweißer Teint schien sich mit feinem Nebel zu überlagern.
Durch die Lider sah man die unablässige Bewegung seiner Augen. Sie blickten nach innen. Vielleicht untersuchten sie das Paradox seiner Inbrunst für Kustaa und den darauffolgenden Reinfall, sie in den Armen eines beliebigen anderen zu wissen. Vielleicht erforschte er das Rätsel, warum der Mensch sich in seinen Traum verliebt und warum die Wirklichkeit ihn soweit zugrunde richtet, ihn
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