Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Opas Eisberg: Auf Spurensuche durch Grönland (German Edition)

Opas Eisberg: Auf Spurensuche durch Grönland (German Edition)

Titel: Opas Eisberg: Auf Spurensuche durch Grönland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Orth
Vom Netzwerk:
den vorherigen Strapazen. Die einzigen Hindernisse sind sehr lang gezogene Querspalten, an denen sich meist schnell ein guter Übergang finden lässt. Wilfried staunt nicht schlecht, so sah es hier noch nie aus: »Vorher hätte ich gesagt, wenn so weit oben noch Spalten sind, lasse ich mir beide Hände abhacken«, sagt er.
    Endlich ein lang ersehntes Erfolgserlebnis, und die geflickten Pulkas halten. »Schon gut, so zwei Ossis dabeizuhaben, die alles reparieren können, was?«, fragt Wilfried, der schon wieder grinsen kann. Er stammt ursprünglich aus Magdeburg, und Jan gibt sich mit jedem »ick« als Potsdamer zu erkennen.
    Plötzlich entdecken wir Skispuren vor uns. Wir wollen es erst nicht glauben, doch es ist eindeutig: Die müssen von zwei Norwegern stammen, die zwei Tage vor uns vom »Roten Haus« aufgebrochen sind, um das Inlandeis zu durchqueren. Ein unglaublicher Zufall, dass wir nun genau auf ihrer Route sind, schließlich gibt es hier einige Kilometer Spielraum zu beiden Seiten. Die Spur verläuft dann um ein paar Grad mehr nach links als unser Weg – die beiden sind nach Kangerlussuaq unterwegs, das ist die am häufigsten begangene Route, etwa 100 Kilometer kürzer als unser ursprünglich geplanter Weg.
    Der Tag hinterlässt trotz oder gerade wegen des Erfolgs, endlich Camp 5 erreicht zu haben, 65’ 51,9” Nord, 38’ 55,6” West, 1
190 Meter über dem Meer, ein zwiespältiges Gefühl. Haben wir etwa zu früh aufgegeben? Hätten wir die Nahrungsvorräte nicht zurücklassen sollen? Hätten wir es doch bis zur Westküste schaffen können mit den angeschlagenen Schlitten? Ich rüttle ein wenig an dem zugenähten Leck an meiner Pulka, es ist mehr als 20 Zentimeter lang und sieht haarsträubend aus. Wie ein Gebiss kann man es unter den Fäden auf und zu bewegen. Die Entscheidung war wohl doch richtig.

----

    Zweiter!
    Zweiter auf dem Mount Everest: Ernst Schmied und Jürg Marmet
    Zweiter Mensch im Weltall: Alan Shepard
    Zweite Mondlandung: Charles Conrad, Alan Bean
    Zweite Weltumseglung: Andrés de Urdaneta
    Zweite Durchquerung der Nordwestpassage: Henry Larsen
    Zweiter auf dem K2: Ichiro Yoshizawa
    Zweite Everest-Besteigung ohne Flaschensauerstoff: Hans Engl
    Psychologen haben bei Befragungen von Sportlern festgestellt, dass Silber weniger glücklich macht als Bronze. Wer bei den Olympischen Spielen Zweiter wird, hat Gold verpasst. Wer Bronze holt, ist wenigstens nicht Vierter, wenigstens noch auf dem Treppchen.
    Vielleicht gilt das Gleiche auch für Abenteurer und Entdecker: Wer eine schwierige Route als Zweiter schafft, kann nur auf einen Bruchteil des Ruhmes hoffen, den der Pionier einsackte. Denn der hat bewiesen, dass es möglich ist; der Zweite beweist lediglich, dass es ihm auch möglich ist. Er hat es leichter, weil er sich bereits auf Daten und Berichte stützen und von Fehlern und Entscheidungen eines anderen lernen kann.
    Die Anstrengungen und Gefahren sind jedoch kaum geringer, manchmal sogar größer. Obwohl der Zweite genauso jeden Meter aus eigener Kraft gehen muss, ist er nur eine Fußnote im Geschichtsbuch.
    Es sei denn, er heißt Robert F. Scott. Sein Fall lag anders als bei Expeditionen, die erst aufbrachen, nachdem schon jemand ihr Ziel erreicht hatte. Der Brite lieferte sich mit dem Norweger Roald Amundsen einen Wettlauf zum Südpol, bei dem keiner von den Erkenntnissen des anderen profitieren konnte, da sie zeitgleich unterwegs waren. Der Norweger versuchte es mit Schlittenhunden, der Brite mit Ponys und Motorschlitten. Die Ponys starben, die Motorschlitten gingen kaputt, und Scott erreichte den Südpol 35 Tage nach Amundsen. Am einsamsten Punkt der Erde stand schon ein Zelt, als er dort ankam. Darin lag ein Zettel mit ein paar Namen: »Roald Amundsen – Olav Olavson Bjaaland – Hilmer Hanssen – Sverre H. Haffel – Oscar Wisting.
16. Dezember 1911«.
    In seinem Tagebuch berichtete Scott von der Enttäuschung: »Sonst ist hier nichts zu sehen – nichts, was sich von der schauerlichen Eintönigkeit der letzten Tage unterschiede. Großer Gott! Und an diesen entsetzlichen Ort haben wir uns mühsam hergeschleppt und erhalten als Lohn nicht einmal das Bewusstsein, die Ersten gewesen zu sein! ... Mir graut vor dem Rückweg.«
    Noch einmal 1500 Kilometer hatten er und seine Begleiter vor sich. Im März 1912, als weit weg in Zürich gerade vier Schweizer die letzten Sachen für ihre Grönlandreise packten, geriet er mit seinen Begleitern in einen fürchterlichen Orkan. Die Männer

Weitere Kostenlose Bücher