Opas Eisberg: Auf Spurensuche durch Grönland (German Edition)
erlitten schwere Erfrierungen, Nahrung und Brennstoff gingen zur Neige. Nur 20 Kilometer vom rettenden Depot entfernt schrieb der Brite seine letzten Worte: »Es ist ein Jammer, aber ich glaube nicht, dass ich weiter schreiben kann. ... Um Gottes willen, sorgt für unsere Hinterbliebenen!«
Scott wurde der berühmteste Zweite der Geschichte, für ihn wurden Denkmäler errichtet – doch dafür zahlte er mit seinem Leben.
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FICK, RODERICH
Geboren am 16. November 1886 in Würzburg.
Sohn des Augenarztes Adolf Eugen Gaston Fick, sechs Geschwister. 1906 Maturität an der Industrieschule Zürich, freiwilliger Militärdienst in Karlsruhe zusammen mit Karl Gaule. Architekturstudium in München, Zürich und Dresden (ohne Abschluss), ab 1910 freischaffender Architekt in Zürich. Daneben Versuche als Geigenbauer und chemische Experimente, 1911 Entwicklung einer »selbsttätig messenden Druck- und Saugpumpe«, die auf der Internationalen Hygieneausstellung in Dresden vorgestellt wurde. 1912 Teilnahme an der schweizerischen Grönland-Expedition. 1914 Kolonialdienst in Afrika als Leiter des Dezernates für Hoch- und Tiefbau beim deutschen Gouvernement für Kamerun in Duala. Ab Kriegsbeginn Offizier in der Schutztruppe für Kamerun. Von 1916 bis 1919 interniert in Spanisch Muni (Afrika) und in Pamplona in Nordspanien. Im Dezember 1919 Heirat mit Marie Günther. 1920 Umzug nach Herrsching am Ammersee, Tätigkeit als freiberuflicher Architekt. 1927 Assistenzstelle für Freihandzeichnen an der Technischen Universität München. Erste größere Bauaufträge, unter anderem Hans-Sachs-Bad in Schweinfurt und Ärztehaus in München. Ab 1936 Lehrstuhl für Gestalten an der Technischen Universität München. Bautätigkeit für die Nationalsozialisten: Rudolf-Heß-Siedlung in Pullach, Kehlsteinhaus und Platterhof auf dem Obersalzberg. Ernennung zum Reichsbaurat für die »Führerstadt Linz«. 1938 Tod der ersten Frau, 1945 Dienstenthebung aus dem Hochschuldienst, später Einstufung als »Mitläufer« durch die Spruchkammer Starnberg. Zweite Heirat mit Catharina Büscher 1948, eine Tochter. Wiederaufnahme der Bautätigkeit, u. a. Verlagsgebäude C. H. Beck in München, Donaukraftwerk Jochenstein.
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Juli 1912
Grönland, Inlandeis
Am Morgen ist Gaule meistens der Erste, der die luxuriöse Wärme seines fünf Kilo schweren Schlafsacks aus Rentierpelz verlässt. Er schmeißt den Nansen-Kocher an und bringt Schnee zum Schmelzen, um Kaffee und Tee zu machen. Über Nacht hat sich an der Zeltdecke eine weiße Raureifschicht gebildet, wenn der Kocher läuft, tropft das Kondenswasser herunter.
Zu einem normalen Frühstück gehören Kondensmilch, Zwieback oder trockenes Schiffsbrot mit Butter, als Aufstrich Honig, Konfitüre, Gänseklein oder Käse. Hoessly, der zugleich als Proviantmeister und Expeditionsarzt fungiert, achtet penibel darauf, dass niemand mehr als die vorher ausgerechnete Tagesmenge zu sich nimmt. 40 Gramm gesalzene dänische Butter, 30 Gramm Käse, 125 Gramm Dosenmilch.
Zuletzt füllt Gaule die Thermoskannen mit heißem Wasser. Schokolade, Apfelschnitze und Zwetschgen werden als Wegzehrung verteilt. Danach ist manchmal noch eine Stunde Zeit, um sich ein wenig auszuruhen oder etwas zu lesen. Die Expeditionsbibliothek ist reichhaltig bestückt, mit Werken von Schopenhauer, Kant und Hume, mit Sophokles, Euripides, Molière, Ibsen und Lessing, Goethes »Faust« und Nietzsches »Also sprach Zarathustra« sowie einem Neuen Testament im Urtext. Viele Dramen, reichlich Philosophisches, kein Roman. Heimlich hat de Quervain dazu noch Ernst Machs »Theoretische Physik« eingepackt, einen dicken Wälzer, dessen Gewicht jede vernünftige Gepäckkalkulation sprengt. Das meiste Interesse zieht aber eine Komödie an. Laut dem Expeditionsleiter ist, »nach den Fettflecken zu schließen, Minna von Barnhelm am gelesensten«.
Vor dem Aufbruch müssen noch einige Messungen gemacht werden. Roderich misst das Gefälle in allen Richtungen per Theodolit, einem Winkelinstrument mit eingebautem Fernrohr. Das Gerät muss er zuerst lotrecht auf seinem Eschenholzstativ montieren, dann visiert er mithilfe eines aufgezeichneten Fadenkreuzes die Umgebung an. Bis er alle Höhenänderungen in der Umgebung vermessen hat, braucht er oft Stunden. Immer wieder führt diese Arbeit zu kalten Händen, da sich das Gerät nicht mit Handschuhen bedienen lässt. Manchmal frieren die Finger an den Schrauben fest, schmerzhafte Hautabschürfungen sind die Folge.
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