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Opas Eisberg: Auf Spurensuche durch Grönland (German Edition)

Opas Eisberg: Auf Spurensuche durch Grönland (German Edition)

Titel: Opas Eisberg: Auf Spurensuche durch Grönland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Orth
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Messungen (und manchmal auch mit dem Ausnehmen von toten Hunden) zu tun, dass er nur wenige Notizen machen konnte.
    Den Eintrag über die Vorfälle mit den Hunden hat er im Herbst 1913 in einem Italienurlaub aufgeschrieben, die Passagen danach in Duala, Jaunde und in Feldlagern in Kamerun, wo er zunächst in der Kolonialverwaltung arbeitete und dann als Offizier im Ersten Weltkrieg gegen französische und belgische Truppen kämpfen musste. Vom Schlachtfeld zur Tagebuchklausur – wahrscheinlich tat es ganz gut, sich mitten im Krieg ins eisige Grönland zurückzudenken.
    Ein wenig Abwechslung würde uns im Moment ebenfalls guttun, denn wir sind gerade etwas überspannt. Anders ist es wohl kaum zu erklären, dass Wilfried, der Erfahrenste von uns allen, am Ende der Tagestour seinen Ski in eine Gletscherspalte schleudert.
    Wir sind direkt vor unserem Camp, nur noch eine letzte Spalte, etwa zwei Meter breit, trennt uns von den Zelten. Er schnallt seine Skier ab. Der erste Ski fliegt in hohem Bogen hinüber, doch der zweite prallt an den gegenüberliegenden Hang, federt unglücklich zurück, überschlägt sich – und rattert mit dem Geräusch von zerberstendem Glas in den eisigen Abgrund.
    Welcher Teufel ihn da geritten hat, ist wohl kaum zu erklären, am wenigsten für ihn selbst. Vielleicht war es der angestaute Frust, die Erschöpfung, ein kurzer Anfall von Wahnsinn – oder eine Kombination aus alldem.
    Gerade kommen wir von einem Ausflug zurück, bei dem wir vier Rucksäcke mit je etwa 30 Kilo Gepäck auf dem Weg zu Camp 5 deponiert haben. Wir wollten sie eigentlich viel weiter bringen, doch ein ganzes Kanalnetz aus Furcht einflößenden Spalten machte ein Weiterkommen unmöglich. »Wenn du da reinfällst, bist du weg«, sagte Gregor.
    Wir sollten längst auf gut mit Skiern befahrbarem Schnee sein, so wie das bei Wilfrieds vorherigen drei Expeditionen der Fall war. Doch das schwierige Gelände scheint kein Ende nehmen zu wollen. Neun Kilometer wollten wir mit den Rucksäcken zurücklegen – nach gerade mal zweieinhalb mussten wir sie stehen lassen. Wollten. Sollten. Nach Plan läuft hier derzeit wenig.
    Nach so einem Tag kann es dann wohl schon mal vorkommen, dass man die letzte Energie dazu nutzt, seine Skier ins Camp zu werfen. An einem mit Eisschrauben gesicherten Seil steigt Wilfried ein paar Meter in die Spalte hinab, doch zwischen den ganzen Querverstrebungen aus Eis kann er nichts entdecken. Er hat noch ein Ersatzpaar, darum ist das Ganze nur teuer und ärgerlich, aber kein größeres Problem. Der Preis für den Kommentar des Tages geht jedenfalls an Gregor: »Dann haben wir jetzt
einen
sehr guten Ersatzski.«
    Unser viel größeres Problem sind weiterhin die beiden kaputten Pulkas, wegen derer wir so viel Gewicht im Rucksack voraustragen müssen. Mechaniker Jan und Hobby-Handwerker Wilfried beweisen große Geschicklichkeit, als sie ein paar Bohrlöcher anbringen und die Lecks mit Repschnüren vernähen. So sauber, dass jeder Chirurg neidisch werden müsste. Vorläufig ist damit die Gefahr gebannt, dass die Schlitten komplett auseinanderbrechen.
    Das Camp 5 hat inzwischen eine fast mystische Bedeutung, dauernd reden wir davon. Denn Camp 5 ist der erste Messpunkt – dort könnte Wilfried mit der wissenschaftlichen Arbeit beginnen. Wir hoffen, anschließend noch weitere Punkte anzusteuern, an denen er bei seinen vorherigen Expeditionen die Eishöhe vermessen hat. Sein Forschungsprojekt besteht darin, die Veränderungen der Höhe festzuhalten. Für die Messungen haben wir 20 Kilogramm Hightech-Geräte dabei. Kernstück ist eine Messplatte, die wie ein Ufo aussieht und auf einem Stativ montiert wird.
    Außerdem hat Wilfried versprochen, dass ab Camp 5 der Untergrund garantiert aus Schnee statt Eis besteht. Ab dort müssten die Bedingungen so gut sein, dass wir problemlos auf Skiern die Pulkas ziehen können. Der meditative Teil der Tour,
bei dem es anders als bisher mehr um Ausdauer geht als um
die Wegsuche und die volle Konzentration auf jedes Geländedetail.
    Der Weg zu Camp 5 wird zu einem echten Gewaltmarsch um die Spaltenkanäle, die schlimmsten von ihnen umgehen wir in riesigen Bögen. Insgesamt legen wir dabei laut GPS-Gerät 19,5 Kilometer zurück. Die Luftlinie beträgt lediglich neun Kilometer. Oben ist tatsächlich Schnee. Wir können endlich die Schlitten auf Skiern ziehen, so, wie das für den größten Teil unserer Tour geplant war.
    Die letzten Kilometer sind reines Genusswandern im Vergleich zu

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