Opas Eisberg: Auf Spurensuche durch Grönland (German Edition)
Leithund, der sich bei Menschen und Tieren großer Popularität erfreut. Cognac und Whisky, die beiden Brüder, die morgens besonders viel Motivation brauchen, bis sie endlich loslaufen. Der kleine Schwarze, der treu seinen Dienst leistet, aber dabei immer so seltsam traurig wirkt. Kutlipiluk und Kakortok, Jack und Jason, Ersilik und Silke. Aus einem wilden Knäuel aus Beinen, Fell und Zugriemen lassen sich langsam die Tiere erlösen, lange hätten sie es wohl nicht mehr ausgehalten.
Die Riemen allerdings müssen die Männer durchschneiden, um die Rettungsaktion zu beschleunigen. Auf dem Bauch liegend und mit frierenden Fingern arbeiten sie weiter. 15 Hunde. 20 Hunde. Für einen kommt die Hilfe zu spät: Das »Schwein«, schon vorher das schwächste Tier von allen, ist so fest in den Lederriemen verheddert, dass der Bauch dick aufgequollen ist. »Er scheint schon gefühllos zu sein«, schreibt Roderich. »Wir haben ihn daher nicht mehr erschossen, sondern liegen lassen, und da war er im Wind in kurzer Zeit totgefroren. Einen grausameren Tod hätte er nicht haben können!« Ein verrückter Anblick bietet sich ums Zelt: Auf der einen Seite schütteln sich die Hunde und strecken ihre steifen Knochen, laufen aber bald schon wieder recht fidel herum. Daneben liegen ihre Abdrücke aus festen Schneebrocken, die Hundenegative, wie lebensgroße Hohlformen für einen Bildhauer.
Roderich und Gaule graben nun noch die drei Schlitten aus, an einem bricht dabei ein Bügel hinten, der repariert werden muss. Dabei stellt sich Roderich nach Meinung des Expeditionsleiters nicht besonders geschickt an. »Von Fick schlecht genug repariert«, schreibt er in seinem Tagebuch. »Ich werde alles nachsehen müssen, was er macht, & worauf es wirklich ankommt.« Hoessly versucht derweil, die Hundegeschirre zu reparieren – schon vor der Hälfte der Tour ist sein ganzer Vorrat an Ersatzmaterial aufgebraucht.
Zwei Tage später überschattet der nächste Todesfall die Expedition. Roderich schreibt: »Nach der Abreise von Zeltplatz 18 mussten wir Jack schlachten. Sein Bein ist ganz unbrauchbar, er hinkt immer unangespannt nach und nützt uns nichts mehr. Hoessli hat ihn mit seiner Parabellum-Pistole erschossen, nachdem wir schon eine Strecke gereist waren. Wir wollten Jack erst eine Strecke weit von der Schlittenkolonne weglocken, was aber nicht recht gelang. Wir fürchteten, dass die anderen Hunde, wenn die Tötung in ihrer Nähe vor sich geht, dadurch beunruhigt werden könnten. Das war aber doch nicht der Fall; sie haben nicht viel davon gemerkt, und Jack sicher gar nichts, er fiel wie vom Blitz getroffen. Dann hab’ ich ihn an den Hinterbeinen etwa 100 m von der Schlittenkolonne weggeschleift, und Hoessli und ich haben das Schlachten begonnen. Das war aber bei der Kälte und dem Wind recht schwierig. Mit Handschuhen war nichts auszurichten, und die blossen Finger waren bald steif gefroren.
Beim Herausnehmen der Eingeweide haben wir uns dann die Hände in der noch warmen Bauchhöhle wärmen können. Sobald die Eingeweide draussen im Schnee lagen, gefroren sie in wenigen Minuten steinhart. Ebenso ging’s nach kurzer Zeit mit dem ausgenommenen und abgezogenen Hund. Zuletzt mussten wir das hartgefrorene Fleisch mit dem Beil in Stücke hauen. Dann wurden ein paar leere Pemikanbüchsen mit dem ›Gefrierfleisch‹ vollgepackt und alles wieder auf die Schlitten geladen. In einer Viertelstunde war die ganze Operation erledigt.
Es war ein fetter, vollgefressener Kerl, der aber nie mitgezogen hat. Die Schlachterei bleibt aber doch gleich unangenehm.
Wir fürchteten zuerst, die Hunde würden Hundefleisch nicht fressen. Sie haben es aber ohne Scheu gierig aufgefressen. ... Wir haben in der Suppe eine Probe Hundefleisch vom Jack gekocht. Zuerst fanden noch längere Verhandlungen statt, ob wir nicht Beefsteak draus machen sollten. Wir entschieden uns dann für Siedfleisch, und es hat gar nicht schlecht geschmeckt, jedenfalls viel besser wie Seehund.«
13. August 2012
Grönland, Inlandeis
Ich habe wieder Opas Tagebuch im Gepäck, es ist nun zum dritten Mal in Grönland, zum zweiten Mal auf dem Inlandeis – allerdings nur als Abschrift. Den Text habe ich in Din-A 5-Größe ausgedruckt, hier würde ich ganz bestimmt nicht mit dem Original herumlaufen.
Es ist ohnehin schon genug herumgekommen. Denn nur den Anfang seiner Aufzeichnungen hat Opa tatsächlich in Grönland geschrieben, später auf dem Eis hatte er so viel mit den wissenschaftlichen
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