Oper und Drama
Verständnisse mitteilen will. – Seine Absicht zu verwirklichen kann der Dichter erst von dem Augenblicke an hoffen, wo er sie verschweigt und als Geheimnis für sich behält, d. h. soviel, als wenn er sie in der Sprache , in der sie als nackte Verstandesabsicht einzig mitzuteilen wäre, gar nicht mehr ausspricht. Sein erlösendes, nämlich verwirklichendes, Werk beginnt erst von da an, wo er in der erlösenden und verwirklichenden neuen Sprache sich kundzugeben vermag, in der er schließlich den tiefsten Inhalt seiner Absicht am überzeugendsten einzig auch kundtun kann – also von da an, wo das Kunstwerk überhaupt beginnt, und das ist von dem ersten Auftritte des Dramas an.
Die von vornherein anzustimmende Tonsprache ist daher das Ausdrucksorgan, durch welches der Dichter sich verständlich machen muß, der sich aus dem Verstande an das Gefühl wendet und hierfür sich auf einen Boden zu stellen hat, auf dem er einzig mit dem Gefühle verkehren kann. Die von dem dichtenden Verstande ersehenen verstärkten Handlungsmomente können, ihrer notwendig verstärkten Motive wegen, nur auf einem Boden zu verständlicher Erscheinung kommen, der an und für sich ein über das gewöhnliche Leben und seinen üblichen Eindruck erhobener ist und so über den Boden des gewöhnlichen Ausdruckes hervorragt, wie jene verstärkten Gestalten und Motive über die des gewöhnlichen Lebens hervorragen sollen. Dieser Ausdruck kann aber ebensowenig ein unnatürlicher sein, als jene Handlungen und Motive unmenschliche und unnatürliche sein dürfen. Die Gestaltungen des Dichters haben dem wirklichen Leben insofern vollkommen zu entsprechen, als sie dies nur in seinem gedrängtesten Zusammenhange und in der Kraft seiner höchsten Erregtheit darstellen sollen; und so soll daher auch ihr Ausdruck nur der des erregtesten menschlichen Gefühles, nach seinem höchsten Vermögen für die Kundgebung sein. Unnatürlich müßten die Gestalten des Dichters aber erscheinen, wenn sie bei höchster Steigerung ihrer Handlungsmomente und Motive diese durch das Organ des gewöhnlichen Lebens kundgäben; unverständlich und lächerlich jedoch sogar, wenn sie abwechselnd sich dieses Organes und jenes ungewöhnlich erhöhten bedienten; ebenso wie wenn sie vor unseren Augen den Boden des gewöhnlichen Lebens abwechselnd mit jenem erhöhten des dichterischen Kunstwerkes vertauschten. [Fußnote: Hierin hat in Wahrheit ein überwiegend wichtiges Moment unserer modernen Komik bestanden.]
Betrachten wir die Tätigkeit des Dichters nun näher, so sehen wir, daß die Verwirklichung seiner Absicht einzig darin besteht, die Darstellung der verstärkten Handlungen seiner gedichteten Gestalten durch Darlegung ihrer Motive an das Gefühl, und diese wieder durch einen Ausdruck zu ermöglichen, der insofern seine Tätigkeit einnimmt, als die Erfindung und Herstellung dieses Ausdruckes in Wahrheit erst die Vorführung jener Motive und Handlungen möglich macht .
Dieser Ausdruck ist somit die Bedingung der Verwirklichung seiner Absicht, die ohne ihn nie aus dem Bereiche des Gedankens in das der Wirklichkeit zu treten vermag. Der hier einzig ermöglichende Ausdruck ist aber ein durchaus anderer als der des Sprachorganes des dichterischen Verstandes selbst. Der Verstand ist daher von der Notwendigkeit gedrängt, sich einem Elemente zu vermählen, welches seine dichterische Absicht als befruchtenden Samen in sich aufzunehmen und diesen Samen durch sein eigenes, ihm notwendiges Wesen so zu nähren und zu gestalten vermöge, daß es ihn als verwirklichenden und erlösenden Gefühlsausdruck gebäre.
Dieses Element ist dasselbe weibliche Mutterelement, aus dessen Schoße, dem urmelodischen Ausdrucksvermögen – als es von dem außer ihm liegenden natürlichen, wirklichen Gegenstande befruchtet ward, das Wort und die Wortsprache so hervorging, wie der Verstand aus dem Gefühle erwuchs, der somit die Verdichtung dieses Weiblichen zum Männlichen, Mitteilungsfähigen ist. Wie der Verstand nun wiederum das Gefühl zu befruchten hat – wie es ihn bei dieser Befruchtung drängt, sich von dem Gefühle umfaßt, in ihm sich gerechtfertigt, von ihm sich widergespiegelt, und in dieser Widerspiegelung sich selbst wiedererkennbar, d. h. sich überhaupt erkennbar, zu finden –, so drängt es das Wort des Verstandes, sich im Tone wiederzuerkennen, die Wortsprache in der Tonsprache sich gerechtfertigt zu finden. [Fußnote: Sollte es mir trivial ausgelegt werden können, wenn ich
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