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Oper und Drama

Oper und Drama

Titel: Oper und Drama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wagner
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wollten; wie würden wir uns nun täuschen, wenn wir diese Erscheinung für eine zufällige, nicht aber aus einem weiten, allgemeinen Zusammenhange bedingte ansehen zu müssen glaubten! – Setzen wir den Fall, uns würde irgendwie das Vermögen, auf Darsteller und auf eine Darstellung vom Standpunkte der künstlerischen Intelligenz aus so einzuwirken, daß einer höchsten dramatischen Absicht in dieser Darstellung vollkommen entsprochen würde, so müßten wir dann erst recht lebhaft innewerden, daß uns der eigentliche Ermöglicher des Kunstwerkes, das nach ihm bedürftige und aus seinem Bedürfnisse es allmächtig mitgestaltende Publikum, abginge. Das Publikum unsrer Theater hat kein Bedürfnis nach dem Kunstwerke; es will sich vor der Bühne zerstreuen , nicht aber sammeln ; und dem Zerstreuungssüchtigen sind künstliche Einzelnheiten , nicht aber die künstlerische Einheit Bedürfnis. Wo wir ein Ganzes gäben, würde das Publikum mit unwillkürlicher Gewalt dieses Ganze in zusammenhangslose Teile zersetzen, oder im allerglücklichsten Falle würde es etwas verstehen müssen, was es nicht verstehen will , weshalb es mit vollem Bewußtsein einer solchen künstlerischen Absicht den Rücken wendet. Aus diesem Erfolge würden wir den Beweis dafür erhalten, warum auch eine solche Darstellung jetzt gar nicht zu ermöglichen ist und warum unsre Opernsänger gerade das sein müssen, was sie jetzt sind und gar nicht anders sein können.
    Um uns nun diese Stellung des Publikums zur Darstellung zu erklären, müssen wir notwendig zur Beurteilung dieses Publikums selbst schreiten. Wir können im Hinblicke auf frühere Zeiten unsrer Theatergeschichte mit Recht dieses Publikum als im wachsenden Verfalle begriffen uns vorstellen. Das Vorzügliche und besonders Feine , was bereits in unsrer Kunst geleistet worden ist, dürfen wir nicht als aus der Luft gekommen betrachten; sondern wir müssen finden, daß es sehr wohl mit aus dem Geschmacke derjenigen angeregt war, denen es vorgeführt werden sollte. Wir finden dieses feinfühlende, geschmackvolle Publikum in seiner lebhaftesten und bestimmendsten Teilnahme am Kunstschaffen in der Periode der Renaissance uns entgegentreten. Hier sehen wir die Fürsten und den Adel die Kunst nicht allein beschützen, sondern für ihre feinsten und kühnsten Gestaltungen in der Weise begeistert, daß diese aus ihrem begeisterten Bedürfnisse geradesweges als hervorgerufen zu betrachten sind. Dieser Adel, in seiner Stellung als Adel nirgends angefochten, nichts wissend von der Plage des Knechteslebens, das seine Stellung ihm ermöglichte, dem industriellen Erwerbsgeist des bürgerlichen Lebens sich gänzlich fernhaltend, heiter in seinen Palästen und mutig auf den Schlachtfeldern dahinlebend, hatte Auge und Ohr zur Wahrnehmung des Anmutigen, Schönen und selbst Charakteristischen, Energischen geübt; und auf sein Geheiß entstanden die Werke der Kunst, die uns jene Zeit als die glücklichste Kunstperiode seit dem Untergange der griechischen Kunst bezeichnen. Die unendliche Anmut und Feinheit in Mozarts Tonbildungen, die dem grotesk gewöhnten heutigen Publikum matt und langweilig vorkommen, ward von den Nachkommen dieses Adels genossen, und zu Kaiser Joseph flüchtete sich Mozart vor der seiltänzerischen Unverschämtheit der Sänger seines Figaro; den jungen französischen Kavalieren, die durch ihren begeisterten Applaus der Achillarie in der Gluckschen Iphigenia in Aulis die bis dahin schwankende Aufnahme des Werkes als eine günstige entschieden, wollen wir nicht zürnen – und am allerwenigsten wollen wir vergessen, daß, während die großen Höfe Europas zu politischen Heerlagern intriganter Diplomaten geworden waren, in Weimar eine deutsche Fürstenfamilie sorgsam und entzückt den kühnsten und anmutigsten Dichtern der deutschen Nation lauschte.
    Der Beherrscher des öffentlichen Kunstgeschmackes ist nun aber derjenige geworden, der die Künstler jetzt so bezahlt, wie der Adel sie sonst belohnt hatte; der für sein Geld sich das Kunstwerk bestellt und die Variation des von ihm beliebten Themas einzig als das Neue haben will, durchaus aber kein neues Thema selbst, – und dieser Beherrscher und Besteller ist – der Philister . Wie dieser Philister die herzloseste und feigste Geburt unsrer Zivilisation ist, so ist er der eigenwilligste, grausamste und schmutzigste Kunstbrotgeber. Wohl ist ihm alles recht, nur verbietet er alles, was ihn daran erinnern könnte, das er Mensch sein solle

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