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Oper und Drama

Oper und Drama

Titel: Oper und Drama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wagner
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unser Gefühl so zu stimmen, daß wir eine weitere, veränderte Entwickelung der Situation aus unsrer mitschaffenden Sympathie als notwendig bedingen, und er führt uns zu diesem Zwecke die bedeutungsvolle Gebärde einer geheimnisvollen Person vor, mit welcher diese, aus deren bis jetzt enthüllten Motiven wir für eine schließlich befriedigende Lösung in Besorgnis sind, der entscheidenden Person droht . Der Inhalt dieser Drohung soll uns als Ahnung erfüllen, und das Orchester soll den Charakter dieser Ahnung uns verdeutlichen, und vollständig kann es das nur, wenn es sie an eine Erinnerung knüpft; er bestimmt zu diesem wichtigen Momente daher die scharf und energisch betonte Wiederholung einer melodischen Phrase, die wir bereits früher als den musikalischen Ausdruck eines auf die Drohung beziehungsvollen Wortverses vernommen haben, und die von der charakteristischen Beschaffenheit ist, daß sie uns das Gedenken an eine frühere Situation deutlich hervorruft und jetzt, im Verein mit der drohenden Gebärde, uns zur ergreifenden und das Gefühl unwillkürlich bestimmenden Ahnung wird. – Diese drohende Gebärde fällt nun aber aus ; die Situation hinterläßt auf uns den Eindruck einer vollkommen befriedigenden; nur das Orchester macht sich gegen alle Erwartung plötzlich mit einer musikalischen Phrase breit, deren Sinn wir dem früheren sprachlosen Sänger nicht haben abgewinnen können und deren Kundgebung an diesem Orte wir daher für eine phantastische, rügenswürdige Willkür des Komponisten halten. –
    Dies sei genug, um die demütigenden weiteren Konsequenzen auf das Verständnis unsres Dramas zu ziehen! –
    Ich habe allerdings hier der gröbsten Verstöße erwähnt; daß sie aber auf Bühnen, die noch vom besten Geiste beseelt sind, dennoch in jeder Opernaufführung vorkommen können , wird sowohl niemand in Abrede stellen, der das Wesen dieser Aufführung vom Standpunkte der dramatischen Forderung aus beobachtet hat, als es uns einen Begriff von der künstlerischen Entsittlichung zu geben vermag, die unter unsren Bühnensängern namentlich durch den hervorgehobenen Umstand eingerissen ist, daß sie meist nur übersetzte Opern singen. Denn, wie gesagt, bei Italienern und Franzosen findet man das, was ich hier rügte, nicht, oder doch bei weitem nicht in dem Grade – und bei den Italienern schon deswegen nicht, weil die Opern, die sie zu singen haben, durchaus keine anderen Anforderungen an sie stellen als die, denen sie eben in ihrer Weise vollkommen genügen können.
     
    Gerade auf deutschen Bühnen, also in der Sprache, in der es für jetzt am vollkommensten zu ermöglichen wäre, würde das von uns gemeinte Drama nur die höchste Verwirrung und das gänzlichste Mißverständnis hervorrufen. Darsteller, denen die Absicht des Dramas in ihrem nächsten Fundamentalorgane – der Sprache – gar nicht gegenwärtig und fühlbar ist, können diese Absicht auch nicht fassen, und versuchen sie vom reinmusikalischen Standpunkte aus – wie es zumeist geschieht – diese Absicht zu erfassen, so müßten sie sie nur mißverstehen und in irrtümlicher Befangenheit gewiß alles, nur nicht eben diese Absicht verwirklichen.
    Dem Publikum [Fußnote: Unter dem Publikum kann ich nie die einzelnen verstehen, die vom abstrakten Kunstverständnisse aus sich mit Erscheinungen befreunden, die auf der Bühne nicht verwirklicht werden. Unter dem Publikum verstehe ich nur die Gesamtheit der Zuschauer, denen ohne spezifisch gebildeten Kunstverstand das vorgeführte Drama zum vollständigen, gänzlich mühelosen Gefühlsverständnis kommen soll, die in ihrer Teilnahme daher nie auf die Verwendung der Kunstmittel, sondern einzig auf den durch sie verwirklichten Gegenstand der Kunst, das Drama, als vorgeführte allverständlichte Handlung , gelenkt werden sollen. Das Publikum, das demnach ohne alle Kunstverstandsanstrengung genießen soll, wird in seinen Ansprüchen durchaus beeinträchtigt, wenn die Darstellung – aus den angegebenen Gründen – die dramatische Absicht nicht verwirklicht, und es ist vollkommen in seinem Rechte, wenn es einer solchen Darstellung den Rücken wendet. Dem Kunstverständigen dagegen, der die unverwirklichte dramatische Absicht aus dem Textbuche und aus der kritischen Deutung der Musik – wie sie ihm von unsren Orchestern gewöhnlich gut ausgeführt zu Ohren kommt – sich, der Darstellung zum Trotz, als verwirklicht zu denken bemüht, ist eine geistige Anstrengung zugemutet, die ihm allen

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