Operation Amazonas
vollständig aufgezehrt, was unter dem Strich Null ergibt. Überschüssiger Sauerstoff entsteht allein in den Gebieten mit sekundärem Waldbewuchs, wo junge Bäume wachsen. Eine kontrollierte Entwaldung ist der Atmosphäre daher sogar zuträglich.«
Nathan schwankte zwischen ungläubigem Staunen und Verärgerung. »Und was ist mit den Bewohnern des Regenwaldes? In den vergangenen fünfhundert Jahren ist die Zahl der Indianer von über zehn Millionen auf unter zweihunderttausend geschrumpft. Ich nehme an, sie heißen auch das gut.«
Richard Zane schüttelte den Kopf. »Keineswegs. Das ist eine wahre Tragödie. Wenn ein Medizinmann stirbt, ohne seine Erfahrung weitergegeben zu haben, entsteht der Welt ein unwiederbringlicher Verlust. Das ist einer der Gründe, warum ich mich dafür eingesetzt habe, Ihre Forschungen bei den Eingeborenenstämmen finanziell zu unterstützen. Diese Arbeit ist von unschätzbarem Wert.«
Nathan kniff misstrauisch die Augen zusammen. »Aber der Regenwald und seine Bewohner stehen in enger Wechselwirkung. Selbst wenn Sie mit Ihren Aussagen Recht haben sollten, werden durch die Entwaldung einige Arten gleichwohl ausgerottet. Das können Sie nicht abstreiten.«
»Klar, aber die Zahlen, die die Umweltbewegung nennt, sind übertrieben.«
»Auch eine einzige Art kann von großer Bedeutung sein. Zum Beispiel das Madagaskar-Immergrün.«
Zane lief rot an. »Also, das ist nun wirklich eine seltene Ausnahme. Das können Sie kaum verallgemeinern.«
»Das Madagaskar-Immergrün?«, fragte Kelly verwirrt.
»Ja, daraus werden zwei hochwirksame Krebsmittel gewonnen – Vinblastin und Vinchristin.«
Kelly hob bestätigend die Brauen. »Sie werden zur Behandlung der Hodgkin-Krankheit, von Lymphomen und zahlreichen Krebserkrankungen bei Kindern eingesetzt.«
Nate nickte. »Diese Medikamente retten alljährlich tausenden Kindern das Leben. Die Pflanze, aus der dieses lebensrettende Medikament gewonnen wird, ist in Madagaskar jedoch ausgestorben. Und wenn man die Eigenschaften des rosa blühenden Immergrüns nun nicht rechtzeitig entschlüsselt hätte? Wie viele Kinder wären dann gestorben?«
»Wie ich schon sagte, das Immergrün ist eine seltene Ausnahme.«
»Woher wollen Sie das wissen? Ihr ganzes Gerede über Statistiken und Satellitenfotos läuft auf ein einziges Faktum hinaus. Jede einzelne Pflanze ist ein potenzielles Heilmittel. Jede Art ist unersetzlich. Wer weiß schon, wie viele Wirkstoffe durch unkontrollierte Rodung übersehen werden? Was seltene Pflanzen bei der Bekämpfung von Aids und Diabetes oder bei der Behandlung der zahlreichen Krebsarten bewirken könnten, die die Menschheit plagen?«
»Vielleicht könnte man irgendwann sogar Gliedmaßen regenerieren«, setzte Kelly mit Nachdruck hinzu.
Richard Zane blickte stirnrunzelnd in die Flammen. »Wer weiß das schon.«
»Genau darauf wollte ich hinaus«, meine Nate abschließend.
Frank näherte sich den Flammen, scheinbar unbeeindruckt von der vorausgegangenen hitzigen Debatte. »Der Fisch verbrennt«, sagte der hoch gewachsene Mann und zeigte auf den schwarzen Qualm, der von der vergessenen Bratpfanne aufstieg.
Manny nahm die Pfanne kichernd vom Feuer. »Gedankt sei Gott für den praktischen Mr. O’Brien, sonst müssten wir heute Abend Trockenrationen zu uns nehmen.«
Frank stupste Kelly an. »Olin hat das Satellitentelefon jeden Moment ans Notebook angeschlossen.« Er sah auf seine Armbanduhr. »In einer Stunde müssten wir Verbindung in die Staaten haben.«
»Gut.« Kelly blickte zu Olin Pasternak hinüber, der mit der kompakten Satellitenschüssel und der Computerausrüstung zugange war. »Vielleicht liegen ja schon die Ergebnisse der Autopsie von Gerald Clarks Leichnam vor. Irgendetwas, das uns weiterhelfen könnte.«
Nate hörte aufmerksam zu. Vielleicht lag es daran, dass er in die Flammen blickte, doch er hatte das eigentümliche Gefühl, dass sie vielleicht auf den Schamanen hätten hören und den Leichnam verbrennen sollen. Niemand kannte sich im Dschungel besser aus als die Indianer. Na boesi, ingi sabe ala sani. Im Dschungel weiß der Indianer alles.
Während die Sonne unterging, blickte er in den sich verfinsternden Dschungel.
Hier, wo der Dschungel mit einem Chor widerhallender Rufe und einsamer Schreie erwachte, gewann der Mythos des Regenwaldes Gestalt. In den Tiefen des Dschungels musste man mit allem rechnen.
Sogar mit dem Fluch der Ban-ali.
5
STAMMZELLENFORSCHUNG
7. August, 17.32 Uhr
Instar Institute, Langley,
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