Operation Amazonas
Hirn.
»Epidemiologe«, sagte er, als er ihre Verwirrung bemerkte.
Lauren nickte. »Natürlich, verzeihen Sie, Dr. Alvisio.« Der junge Mann war ein Epidemiologe von der Stanford University. Persönlich war sie ihm noch nie begegnet. Sein Forschungsgebiet war die Übertragung von Krankheiten. »Was kann ich für Sie tun?«
Er hob eine Aktenmappe hoch. »Ich möchte Sie bitten, sich das einmal anzusehen.«
Sie sah auf die Uhr. »In zehn Minuten habe ich eine Besprechung in der Immunologie.«
»Ein Grund mehr, weshalb Sie sich das ansehen sollten.«
Sie entriegelte die Tür mit der Magnetstreifenkarte und bedeutete Alvisio einzutreten. Sie knipste das Licht an, trat hinter den Schreibtisch und forderte Dr. Alvisio auf, ihr gegenüber Platz zu nehmen. »Was haben Sie da?«
»Etwas, woran ich arbeite.« Er blätterte in der Mappe. »Ich bin auf ein paar beunruhigende Daten gestoßen, die ich gern mit Ihnen durchgehen würde.«
»Was für Daten?«
Er blickte auf. »Ich habe in brasilianischen Krankenakten nach Fällen gesucht, die Ähnlichkeiten mit Gerald Clarks Erkrankung aufweisen.«
»Nach anderen Leuten, die verlorene Gliedmaßen regeneriert haben?«
Er grinste schüchtern. »Das nicht. Aber ich habe mich bemüht, die Krebserkrankungen im brasilianischen Regenwald unter besonderer Berücksichtigung des Gebietes, in dem Gerald Clark zu Tode kam, epidemiologisch auszuwerten. Ich dachte mir, wir könnten anhand der Rate der Krebserkrankungen vielleicht den Reiseweg des Mannes rekonstruieren. «
Lauren straffte sich. Das war ein interessanter, sogar genialer Ansatz. Kein Wunder, dass Dr. Alvisio eingestellt worden war. Falls es ihm gelang, eine Häufung ähnlicher Krebserkrankungen festzustellen, würde dies die Suche vielleicht eingrenzen, was wiederum dazu beitragen könnte, Kellys und Franks Aufenthalt im Dschungel zu verkürzen. »Und was haben Sie herausgefunden?«
»Nicht das, was ich erwartet hatte«, antwortete er mit einem besorgten Ausdruck in den Augen. »Ich habe jedes städtische Krankenhaus, jede medizinische Einrichtung und jede Dschungelklinik in dem Gebiet kontaktiert. Sie haben mir Daten zu den letzten zehn Jahren geschickt. Die Computerauswertung ist gerade erst fertig geworden.«
»Und sind Ihnen hinsichtlich der Krebserkrankungen in diesem Gebiet irgendwelche Trends aufgefallen?«
Er schüttelte den Kopf. »Nichts, was mit Gerald Clarks Fall vergleichbar wäre. Es scheint sich um einen Einzelfall zu handeln.«
Lauren verbarg ihre Enttäuschung, konnte jedoch nicht verhindern, dass sich ein Anflug von Gereiztheit in ihren Tonfall mischte. »Was haben Sie dann herausgefunden?«
Er reichte Lauren ein Blatt Papier. Sie setzte die Lesebrille auf.
Es war eine Karte des brasilianischen Nordwestens. Flüsse schlängelten sich durch das Gebiet, alle in eine Richtung strebend – zum Amazonas. Städte und kleine Siedlungen waren zu erkennen, die meisten an Kanälen und Wasserläufen verteilt. Die schwarzweiße Karte war mit kleinen roten Kreuzen versehen.
Der junge Wissenschaftler tippte mit der Kugelschreiberspitze auf ein paar Markierungen. »Das sind die medizinischen Einrichtungen, die Daten geliefert haben. Während ich damit beschäftigt war, rief mich ein Krankenhausarzt aus Barcellos an.« Er deutete auf eine Stadt am Amazonas, etwa zweihundert Meilen stromaufwärts von Manaus gelegen. »Dort gab es ein Problem mit einer Virenerkrankung von Kindern und älteren Menschen. Offenbar eine Form von hämorrhagischem Fieber. Erhöhte Temperatur, Gelbsucht, Erbrechen, Geschwüre in der Mundhöhle. Bislang sind mehr als ein Dutzend Kinder der Krankheit zum Opfer gefallen. Der Arzt aus Barcellos meinte, so etwas hätte er noch nicht erlebt, und bat mich um Hilfe. Die sagte ich ihm zu.«
Lauren runzelte leicht genervt die Stirn. Der Epidemiologe sollte ausschließlich an dem Projekt arbeiten. Trotzdem schwieg sie und ließ ihn fortfahren.
»Da ich in der Region bereits über ein dichtes Netz von Kontakten verfügte, erkundigte ich mich nach weiteren Meldungen zu dieser Krankheit.« Dr. Alvisio reichte ihr ein weiteres Blatt. Darauf war die gleiche Karte abgebildet; Flüsse und rote Kreuze. Einige dieser Kreuze waren allerdings mit blauen Kreisen markiert, daneben befanden sich Datumsangaben. »Das sind die Orte, von denen ähnliche Fälle gemeldet wurden.«
Laurens Augen weiteten sich. Es waren so viele. Ähnliche Fälle hatte es an mindestens einem Dutzend weiterer Einrichtungen gegeben.
»Erkennen Sie den
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