Operation Amazonas
Klauenabdrücke waren deutlich erkennbar. »Ein Kaiman.«
Sein Tonfall klang eigentümlich erleichtert. Nate und der Professor wechselten abermals verstohlene Blicke.
Kouwe richtete sich auf. »Kaimane jagen häufig am Ufer, wo sie Tapire und Wildschweine fangen, die zum Trinken kommen. Der Corporal ist dem Fluss offenbar zu nahe gekommen und wurde geschnappt.«
»Könnte das derselbe Kaiman gewesen sein, der auch Corporal Graves angegriffen hat?«, fragte Waxman.
Kouwe zuckte die Schultern. »Schwarze Kaimane sind ziemlich intelligent. Es könnte durchaus sein, dass er dem Motorenlärm gefolgt ist und hier auf der Lauer gelegen hat, nachdem er gemerkt hat, dass unsere Boote eine Nahrungsquelle darstellen.«
»Zur Hölle mit dem Vieh!« Waxman spuckte aus und ballte eine Hand zur Faust. »Zwei Mann an einem einzigen Tag.«
Staff Sergeant Kostos trat vor. Der hoch gewachsene, dunkelhäutige Ranger schaute verkniffen drein. »Sir, ich könnte Verstärkung anfordern. Die Hueys könnten bis morgen früh mit zwei weiteren Männern hier sein.«
»Tun Sie das!«, fauchte Waxman. »Ab sofort schieben immer zwei Patrouillen Wache. Zwei Mann pro Patrouille! Ich möchte nicht, dass irgendjemand – gleich ob Zivilist oder Soldat – allein in den Dschungel geht. Unter keinen Umständen! Und ich möchte, dass auch am Ufer Bewegungsmelder installiert werden, nicht bloß an der Waldseite.«
»Jawohl, Sir.«
Captain Waxman wandte sich den Zivilisten zu. In seinen Worten lag keine Wärme, bloß kalte Abweisung. »Ich danke Ihnen für Ihre Unterstützung.«
Die kleine Gruppe machte sich auf den Rückweg. Kelly fühlte sich dumpf und leer. Schon wieder ein Mann tot … und so plötzlich. Sie beäugte misstrauisch die Feuerliane. Hier tobte nicht bloß ein chemischer Krieg, sondern auch ein grausamer Kampf ums Überleben, bei dem die Schwachen den Stärkeren unterlagen.
Kelly war froh, als sie das Lager mit den lodernden Feuern erreicht hatten – Wärme und Licht. Von den Flammen ging ein gewisser Trost aus, denn sie verscheuchten vorübergehend die Dunkelheit des Waldes.
Die anderen Expeditionsteilnehmer blickten ihr entgegen. Anna Fong stand bei Richard Zane. Franks Mitarbeiter Olin Pasternak wärmte sich am Lagerfeuer die Hände.
Manny setzte die anderen rasch ins Bild. Anna schlug sich die Hand vor den Mund und wandte sich ab. Richard schüttelte den Kopf. Olin blieb äußerlich ungerührt und blickte weiter in die Flammen.
Kelly nahm die unterschiedlichen Reaktionen kaum wahr, sondern konzentrierte sich ganz auf Nate und Kouwe. Die beiden hatten sich zu Nates Hängematte begeben. Kelly beobachtete sie aus den Augenwinkeln. Die beiden Männer unterhielten sich nicht, doch sie bemerkte Kouwes forschenden Blick. Eine unausgesprochene Frage.
Nate antwortete mit einem angedeuteten Kopfschütteln.
Nachdem sie sich wortlos verständigt hatten, holte Kouwe seine Pfeife hervor und ging ein paar Schritte weiter, da er offenbar einen Moment allein sein wollte.
Als Kelly sich abwandte, um den Älteren nicht zu stören, bemerkte sie, dass Nates Blick auf ihr ruhte.
Sie sah wieder ins Feuer. Sie fühlte sich töricht und seltsam verängstigt. Sie schluckte und biss sich auf die Unterlippe, dachte daran, wie Nate sie mit seinen starken Armen aufgefangen hatte. Sie spürte, dass Nate sie weiterhin musterte. Sein Blick ruhte auf ihrer Haut wie Sonnenschein. Warm und prickelnd.
Allmählich verflüchtigte sich das Gefühl.
Was verbarg er vor ihr?
7
DATENSAMMLUNG
12. August, 6.20 Uhr Langley, Virginia
Lauren O’Brien würde zu spät zur Arbeit kommen. »Jessie!«, rief sie und legte eine Orange zu dem ErdnussbutterMarmelade-Sandwich ins Lunchpaket. »Schatz, du musst runterkommen … sofort .« Die Autofahrt zum Kindergarten dauerte zwanzig Minuten und anschließend musste sie sich noch durch den Morgenverkehr nach Langley kämpfen.
Sie sah auf die Uhr und verdrehte die Augen. »Marshall!« »Wir kommen«, antwortete eine strenge Stimme.
Lauren beugte sich um die Ecke. Ihr Mann führte ihre
Enkelin gerade die Treppe hinunter. Jessie war angekleidet, bloß die Socken passten nicht zueinander. Macht nichts, dachte sie. Sie hatte vergessen gehabt, wie es war, ein Kind im Haus zu haben. Der ganze Tagesablauf geriet durcheinander.
»Ich bringe sie in den Kindergarten«, sagte Marshall, als er am Fuß der Treppe angelangt war. »Ich habe erst um neun eine Besprechung.«
»Nein, ich kann das machen.«
»Lauren …« Er küsste sie
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