Operation Amazonas
einen der Ranger mit einem von Tshui präparierten Kurarepfeil vergiftet. Anschließend hatten sie die Spuren verwischt und mit Kaimandung eine falsche Fährte gelegt. Seine Geliebte hatte den Gefangenen mit Mundzu-Mund-Beatmung am Leben erhalten, bis sie die Vergiftung im Lager mit einem speziellen Gegenmittel wieder rückgängig machte.
Tshuis wahre Talente aber hatten sich im Laufe der langen Nacht gezeigt. Ihre Folterkünste waren unübertroffen; sie marterte das Opfer mit einem hypnotischen Wechsel von Schmerz und Lust, bis sein Wille schließlich gebrochen war.
»Bitte töten Sie mich«, flehte der Mann mit krächzender Stimme; von seinen Lippen tropfte Blut.
»Bald, mon ami …, zunächst aber ein paar Fragen.« Louis lehnte sich zurück, während Tshui um den Corporal herumging und das qualmende Blätterbündel schwenkte. Er bemerkte, dass der gebrochene Soldat vor der Frau zurückzuckte und jede ihrer Bewegungen mit ängstlich geweiteten Augen verfolgte. Louis fand dies in höchstem Maße erregend, doch er ließ sich nicht ablenken. »Zunächst möchte ich ein paar Zahlen wissen.«
In den folgenden Minuten erfuhr er sämtliche Codes und Zeitpläne der Armeeeinheit. Er brauchte sie nicht zu notieren, sondern prägte sich die Frequenzen und Zahlen alle ein. Dies würde ihnen die Überwachung des gegnerischen Funkverkehrs sehr erleichtern. Alsdann machte er sich über die Bewaffnung der Ranger kundig: Anzahl und Art der Waffen, Ausbildungsstand, Schwächen, Transportkapazitäten.
Der Mann war ausgesprochen redselig. Er plapperte in einem fort und gab mehr Informationen preis, als von ihm verlangt wurden: »… Staff Sergeant Kostos hat in seinem Rucksack Whiskey versteckt … zwei Flaschen … und in Captain Waxmans Boot ist eine Kiste mit einer Abschussvorrichtung für kleine Napalmbomben … und Corporal Conger hat ein Penthouse-Heft –«
Louis richtete sich auf. »Einen Moment, Monsieur. Gehen wir einen Schritt zurück. Napalmbomben?«
»Minibomben … genau ein Dutzend Stück …«
»Wozu das?«
Der Corporal schaute verwirrt drein.
»James«, sagte Louis Favre mahnend.
»Ich …, ich weiß es nicht. Ich nehme an, für den Fall, dass wir ein Stück Dschungel freimachen wollen. Falls wir auf ein Hindernis stoßen sollten.«
»Wie groß wäre das Gelände, das die Bomben freimachen könnten?«
»Ich …« Der Mann unterdrückte ein Schluchzen. »Ich bin mir nicht sicher … vielleicht ein Morgen … Ich weiß es nicht.« Louis stützte die Ellbogen auf die Knie. »Sagen Sie mir auch die Wahrheit, James?« Er winkte Tshui, die, der Unterhaltung überdrüssig, im Schneidersitz dasaß und weitere Werkzeuge vor sich ausbreitete.
Auf sein Zeichen hin kroch sie wie eine Dschungelkatze auf den nackten Soldaten zu.
»Nein!«, heulte der Corporal. »Nein, mehr weiß ich nicht.« Louis lehnte sich wieder zurück. »Soll ich Ihnen wirklich glauben?«
»Bitte …«
»Ich denke, ich glaube Ihnen.« Er stand auf und wandte sich an seine Geliebte. »Wir sind hier fertig, ma chérie. Er gehört dir.«
»Nein!«, stöhnte der Mann.
»Trödle nicht herum«, sagte er zu Tshui. »Die Sonne ist aufgegangen, und wir müssen bald aufbrechen.«
Sie lächelte; ihr Blick war verschleiert von geheimen Lüsten.
Als er zum Eingang trat, sah er, wie sie sich bückte und Knochennadel und Faden aus den ausgebreiteten Werkzeugen auswählte. Tshui hatte sich eine neue Methode ausgedacht, um ihre Opfer für die Schrumpfprozedur zu präparieren. Jetzt nähte sie ihnen bei lebendigem Leib die Augenlider zu. Vermutlich, um ihr Wesen zu bewahren. Die Schamanen der Shuar maßen den Augen besondere Bedeutung zu, da sie glaubten, dies seien die Pforten des Geistes.
Hinter ihm ertönte ein durchdringender Schrei.
»Tshui, vergiss den Knebel nicht«, sagte Louis vorwurfsvoll.
Unwillkürlich blickte er sich um.
Tshui hockte über dem Gesicht von Corporal James, umfasste seinen Kopf mit den Schenkeln und drückte ihn damit nieder, während sie sich mit Nadel und Faden zu schaffen machte. Louis hob überrascht die Brauen. Offenbar probierte sie etwas Neues aus.
»Pardon, ma chérie«, sagte er und trat gebückt aus dem Zelt.
Seine Ermahnung war unnötig gewesen. Den Knebel konnte sie sich wirklich sparen.
Tshui nähte dem Corporal bereits die Lippen zu.
Dritter Akt
DAS ÜBERLEBEN DES STÄRKEREN
Paranuss
FAMILIE: Lecythidaceae
GATTUNG: Bertbolletia
ART: Excelsa
VOLKSNAMEN: Amazonenmandel, brasilianische
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