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Operation Amazonas

Titel: Operation Amazonas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Rollins
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war klein, etwa halb so groß wie eine Spielkarte, und in etwa quadratisch. Nathan riss ihn ab.
»Was ist das?« Carrera blickte ihm über die Schulter. »Stammt das von den Indianern?«
»Unwahrscheinlich.« Er betastete das Material. »Ich glaube, das ist Polyester. Ein synthetisches Gewebe.« Er untersuchte den Zweig, an dem der Fetzen befestigt gewesen war. Er war abgeschnitten worden, nicht abgeknickt. Als er das Ende untersuchte, bemerkte er in der Rinde seltsame Zeichen. »Was ist denn das?«
Er wischte das Regenwasser ab. »Mein Gott …«
»Was ist denn?«
Nathan trat beiseite. In den Baumstamm war eine Nachricht eingeritzt.
    Private Carrera stieß einen leisen Pfiff aus und beugte sich vor. »Das G und das C da unten …«
    »Gerald Clark«, beendete Nate an ihrer Stelle den Satz. »Er hat das signiert. Der Pfeil gibt wohl die Richtung an, aus der er gekommen ist … oder zumindest die Richtung zum nächsten Zeichen.«
    Carrera sah auf den Kompass, den sie am Arm trug. »Südwesten. Der Pfeil zeigt in die richtige Richtung.«
»Aber was bedeuten die Zahlen? Siebzehn und fünf.«
Die Rangerin legte die Stirn in Falten. »Vielleicht ein Datum, in militärischer Schreibweise. Erst der Tag, dann der Monat.«
»Dann hieße das also siebzehnter Mai? Das war vor fast drei Monaten.« Nate wandte sich zu ihr um, doch Carrera bedeutete ihm mit erhobener Hand, still zu sein. Mit der anderen Hand rückte sie ihren Ohrhörer zurecht.
Sie sprach ins Funkgerät. »Verstanden. Wir sind schon unterwegs.«
Nate hob fragend die Brauen.
»Conger und Kostos«, sagte sie. »Sie haben Leichen entdeckt.«
Nates Magen krampfte sich zusammen.
»Kommen Sie«, sagte Carrera steif. »Die beiden wollen wissen, was Sie davon halten.«
Nate nickte und ging weiter. Private Carrera berichtete dem Captain währenddessen von ihrer Entdeckung.
Nate wurde bewusst, dass er noch immer den gelben Stofffetzen in der Hand hielt. Gerald Clark war barfuß aus dem Dschungel aufgetaucht, mit einer Hose als einzigem Kleidungsstück. Hatte er vielleicht sein Hemd in Fetzen gerissen, um den Weg zu markieren? Wie bei einer Schnitzeljagd?
Nate rieb den Fetzen zwischen den Fingern. Nach vier Jahren war dies der erste handfeste Hinweis darauf, dass zumindest einige aus dem Team seines Vater überlebt haben könnten. Bislang hatte Nate keine Hoffnung mehr gehabt, dass sein Vater am Leben sein könnte. Er hatte sich sogar geweigert, diese Möglichkeit auch nur in Betracht zu ziehen. Nicht nach so langer Zeit, nachdem er sich mit dem Tod seines Vaters bereits abgefunden hatte. Seinen Vater ein zweites Mal zu verlieren, würde er nicht ertragen. Nate starrte den Stofffetzen noch einen Moment an, dann steckte er ihn in die Tasche.
Als er weiterging, fragte er sich, ob hier noch mehr solche Zeichen angebracht waren. Eines stand jedenfalls fest: Er würde die Suche so lange fortsetzen, bis er die Wahrheit ans Licht gebracht hatte.
Hinter ihm fluchte Carrera.
Nathan blickte sich um. Carrera hatte Mund und Nase bedeckt. Jetzt erst bemerkte Nate den Geruch. Verwesungsgestank.
»Hier drüben!«, rief jemand. Es war Staff Sergeant Kostos. Der ältere der beiden Ranger hatte zehn Meter weiter angehalten. Mit seinem Tarnanzug verschmolz er beinahe mit der gesprenkelten Umgebung.
Nate ging zu ihm und schreckte vor dem grauenhaften Anblick zurück.
»Allmächtiger«, keuchte hinter ihm Carrera.
Corporal Conger, der junge Texaner, stand ein Stück weiter inmitten der Opfer des Gemetzels, ein Taschentuch vors Gesicht gepresst. Mit dem M-16 wehrte er Geier ab, die ihn wie Schmeißfliegen umschwärmten.
Überall lagen Leichen: auf dem Pfad, im Wald, einige zur Hälfte im Wasser. Männer, Frauen, Kinder. Offenbar sämtliche Bewohner des Dorfes, doch das ließ sich nicht mit Sicherheit sagen. Die Gesichter waren weggefressen, die Gliedmaßen bis auf die Knochen abgenagt, die Eingeweide aus den Bäuchen herausgerissen. Die Aasfresser hatten gründliche Arbeit geleistet und den Rest den Fliegen, anderen Insekten sowie den Würmern überlassen. Lediglich aus der Körpergröße ging hervor, dass es sich um Yanomami handelte, die verschwundenen Dorfbewohner.
Nathan schloss die Augen. Er dachte an die Indianer, mit denen er in der Vergangenheit gearbeitet hatte: an die kleine Tama, den großmütigen Takaho. Plötzlich rannte er ein Stück beiseite und beugte sich über den Fluss. Er würgte, erbrach sich ins dahinströmende Wasser, das angeschwollen war vom Regen. In dieser Haltung

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