Operation Amazonas
hab dich lieb!«
Jessie winkte mit dem ganzen Arm. »Bye, Mommy! Bye, Onkel Frank!«
Kelly hätte am liebsten den Monitor gestreichelt.
Als Jessie verschwunden war, verdüsterte sich die Miene von Kellys Vater. »Nicht alle Neuigkeiten sind so angenehm.«
»Was gibt’s denn?«, fragte Kelly.
»Das ist der Grund, weshalb deine Mutter nicht hier ist. Während hier alles unter Kontrolle zu sein scheint, breitet sich die Epidemie in Florida aus. Im Laufe der Nacht wurden aus Krankenhäusern in Miami sechs neue Fälle gemeldet sowie ein weiteres Dutzend aus der näheren Umgebung. Die Quarantänezone wird ausgeweitet, aber wir befürchten, dass wir das Gebiet nicht mehr rechtzeitig sichern können. Deine Mutter überwacht mit anderen zusammen die eintreffenden Meldungen.«
»Mein Gott!«, sagte Kelly.
»In den letzten zwölf Stunden ist die Zahl der Erkrankungen auf zweiundzwanzig angestiegen. Bislang gab es zwölf Tote. Die besten Epidemiologen des Landes gehen davon aus, dass sich die Zahlen alle zwölf Stunden verdoppeln werden. Am Lauf des Amazonas gibt es bereits über fünfhundert Tote.«
Als Kelly eine Überschlagsrechnung anstellte, erbleichte sie. Frank krallte die Finger in ihre Schulter. In wenigen Tagen würden in Amerika Zehntausende erkrankt sein.
»Der Präsident hat soeben in Florida die Nationalgarde mobilisiert. Offiziell handelt es sich um eine virulente südamerikanische Grippe. Die Details werden unter Verschluss gehalten.«
Kelly lehnte sich zurück, als könnte sie auf diese Weise Distanz zu dem Grauen schaffen. »Wurde schon eine Behandlungsmethode gefunden?«
»Bis jetzt noch nicht. Antibiotika und Antivirenmittel sind anscheinend wirkungslos. Wir können lediglich die Symptome behandeln – mit Transfusionen, Fieber senkenden Mitteln und Analgetika. Solange wir nicht wissen, womit wir es zu tun haben, kämpfen wir auf verlorenem Posten.« Ihr Vater beugte sich dichter an die Kamera. »Deshalb ist euer Beitrag von entscheidender Bedeutung. Wenn ihr herausfinden könnt, was mit Agent Clark geschehen ist, findet ihr vielleicht auch einen Hinweis auf den Krankheitserreger.«
Kelly nickte.
Frank ergriff das Wort, seine Stimme ein raues Flüstern. »Wir werden unser Bestes tun.«
»Dann will ich euch nicht länger aufhalten.« Ihr Vater verabschiedete sich und unterbrach die Verbindung.
Kelly blickte ihren Bruder an. Flankiert wurde er von Manny und Richard Zane.
»Was haben wir getan?«, fragte Manny. »Vielleicht hätten wir auf den Schamanen von Wauwai hören und Clarks Leichnam verbrennen sollen.«
Zane schüttelte den Kopf und murmelte: »Das hätte auch nichts geändert. Irgendwann wäre die Krankheit aus dem Dschungel ausgebrochen. Ebenso wie Aids.«
»Was wollen Sie damit sagen?«, fragte Kelly und drehte sich um.
»Aids brach nach dem Bau einer Schnellstraße im afrikanischen Dschungel aus. Wir stören diese uralten Ökosysteme, ohne zu wissen, was wir dabei anrichten.«
Kelly stand auf. »Dann liegt es an uns, eine Lösung zu finden. Vielleicht hat der Dschungel ja tatsächlich Aids hervorgebracht, aber er bietet auch die wirksamsten Mittel zur Behandlung der Krankheit. Und wenn diese neue Krankheit ebenfalls aus dem Dschungel stammt, wieso sollten wir dann hier nicht auch ein Heilmittel entdecken?«
»Dazu müssen wir es erst einmal finden«, meinte Zane.
Mannys Jaguar begann auf einmal zu knurren. Die Raubkatze drehte sich um, duckte sich und legte die Ohren an, den Blick in den Dschungel gerichtet.
»Was hat er?«, fragte Zane und wich einen Schritt zurück.
Manny betrachtete das Blättergewirr aus zusammengekniffenen Augen, während Tor-tor weiterhin knurrte. »Er hat etwas gewittert … da ist irgendwas.«
Nate näherte sich über den schmalen Pfad dem kleinen Indianerdorf, das aus einem einzelnen großen, in der Mitte nach oben hin offenen Rundhaus bestand. Keines der üblichen Geräusche drang aus dem Shabano hervor. Keine streitenden Huyas , keine Frauen, die nach mehr Paradiesfeigen verlangten, kein Kinderlachen. Es herrschte eine unheimliche, beunruhigende Stille.
»Das Dorf ist eindeutig von Yanomami erbaut worden«, meinte Nathan leise zu Kouwe und Anna Fong. »Aber es ist klein. Hat wahrscheinlich nicht mehr als dreißig Bewohner. «
Hinter ihnen marschierte Private Carrera, das M-16 mit beiden Händen haltend, die Mündung auf den Boden gerichtet.
Anna musterte das Shabano mit großen Augen.
Als sie durch die niedrige Öffnung ins eigentliche Dorf treten wollte, hielt Nate
Weitere Kostenlose Bücher