Operation Amazonas
sie zurück. »Waren sie schon mal bei den Yanomami?«
Anna schüttelte den Kopf.
Nate legte die Hände trichterförmig an den Mund. »Klock, klock, klock!«, rief er. In leiserem Ton erklärte er Anna: »Ob verlassen oder bewohnt, wenn man ein Yanomami-Dorf betritt, sollte man sich anmelden, sonst läuft man Gefahr, einen Pfeil in den Rücken zu bekommen. Die schießen gern, bevor sie Fragen stellen.«
»Hab nichts dagegen einzuwenden«, murmelte hinter ihnen Carrera.
Sie warteten eine volle Minute, dann meldete sich Kouwe zu Wort. »Niemand da.« Er schwenkte den Arm. »Keine Kanus am Fluss, keine Netze oder sonstige Ausrüstung zum Fischen. Keine Yebis , die Alarm schlagen würden.«
»Yebis?«, wiederholte die Soldatin.
»Der grauflüglige Trompetervogel«, erklärte Nate. »Eigentlich ein hässliches Huhn. Die Indianer verwenden sie als gefiederte Wachhunde. Wenn sich ein Fremder nähert, veranstalten sie einen Höllenlärm.«
Carrera nickte. »Also keine Hühner, keine Indianer.« Sie drehte sich langsam im Kreis, musterte den umliegenden Urwald. »Lassen Sie mich vorangehen.«
Sie hob die Waffe an, hielt nahe des niedrigen Eingangs inne. Dann bückte sie sich und streckte den Kopf hindurch. Nach einer Weile trat sie durch den von Bambusstäben eingefassten Eingang, drückte sich an die Wand aus Bananenblättern und rief den anderen zu: »Alles sauber. Aber halten Sie sich dicht bei mir.«
Carrera rückte in die Mitte des Rundhauses vor. Die Waffe hielt sie schussbereit, zielte mit der Mündung jedoch auf den Boden, wie Nate es ihr geraten hatte. Bei den Yanomami galt ein angelegter und auf einen Stammesgenossen gezielter Pfeil als Kriegserklärung. Da Nate nicht wusste, wie gut sich die Indianer mit modernen Waffen auskannten, wollte er Missverständnissen vorbeugen.
Nate, Kouwe und Anna betraten gemeinsam das Shabano .
Die einzelnen Wohneinheiten waren voneinander durch Vorhänge aus Tabakblättern abgetrennt, an denen Flaschenkürbisse und Körbe aufgehängt waren. Geflochtene Hängematten waren an den Dachbalken befestigt. In der Mitte lagen zwei umgekippte Steinschüsseln neben einem Mahlstein. Maniokmehl war auf den Boden verschüttet.
Als plötzlich ein bunter Papagei von einem Stapel brauner Bananen aufflog, schreckten alle zusammen.
»Das gefällt mir nicht«, sagte Kouwe.
Nate nickte zustimmend.
»Warum nicht?«, fragte Carrera.
»Wenn die Yanomami an einen anderen Ort ziehen, verbrennen sie das alte Shabano oder nehmen zumindest sämtliche nützlichen Gegenstände mit. Schauen Sie sich nur mal die Körbe, die Hängematten und die Federsammlung an. Das haben sie bestimmt nicht freiwillig zurückgelassen.«
»Was mag sie veranlasst haben, so überstürzt aufzubrechen?«, fragte Anna.
Kouwe schüttelte bedächtig den Kopf. »Irgendetwas muss sie in Panik versetzt haben.«
»Wir vielleicht?« Anna blickte sich um. »Glauben Sie, sie wussten, dass wir kommen?«
»Wenn sie hier gewesen wären, hätten sie unsere Annäherung sicherlich bemerkt. Sie passen immer gut auf. Aber ich glaube nicht, dass wir für die plötzliche Räumung des Shabano verantwortlich sind.«
»Wie kommen Sie darauf?«, fragte Nate.
Kouwe schritt an den Wohnungen entlang. »Sämtliche Feuerstellen sind kalt.« Mit dem Fuß stieß er den Bananenstapel an, an dem der Papagei gefressen hatte. »Die sind schon verdorben. Die Yanomami hätten sie nicht verkommen lassen.«
Das sah Nate ein. »Dann glauben Sie also, das Dorf wurde schon vor einer ganzen Weile aufgegeben.«
»Vor etwa einer Woche, würde ich schätzen.«
»Wo sind sie wohl hingegangen?«, fragte Anna.
Kouwe drehte sich langsam im Kreis. »Das ist schwer zu sagen, aber es gibt noch ein bemerkenswertes Detail.«
Nate musterte stirnrunzelnd die Behausungen. Dann dämmerte es auch ihm. »Sämtliche Waffen sind verschwunden.« Unter den zurückgelassenen Gerätschaften war kein einziger Pfeil, kein Bogen, kein Stock und keine Machete zu finden.
»Was immer sie vertrieben haben mag«, meinte Kouwe, »es hat ihnen einen Mordsschreck eingejagt.«
Private Carrera trat zu ihnen. »Wenn Sie Recht haben und das Dorf ist schon längere Zeit verlassen, dann sollte ich jetzt meine Einheit herrufen.«
Kouwe nickte.
Sie entfernte sich ein Stück weit und sprach halblaut ins Funkgerät.
Kouwe winkte Nate beiseite. Anna untersuchte derweil eine der Behausungen und wühlte in den zurückgelassenen Gerätschaften.
»Die Leute, die uns verfolgt haben«, flüsterte Kouwe, »das waren keine
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