Operation Arche - 1
das dadurch, dass schon von den weniger hochgestellten Erzbischöfen und Bischöfen, die in Zion lebten – und die zu überwachen für Merlin deutlich weniger riskant war –, unverkennbar war, dass der Rat wegen Charis zunehmend unruhig wurde. Bislang schien diese Unruhe noch keine kritischen Ausmaße angenommen zu haben, doch Merlin kam zu dem Schluss, dass er die allgemeine Beunruhigung, die dem Rat auch schon aufgefallen war, bevor Merlin in die Geschehnisse eingegriffen hatte, sträflich unterschätzt hatte. Nach und nach war ihm bewusst geworden, dass seine SNARCs ihm viel zu oft Diskussionen über Charis übermittelten, als dass er tatenlos hätte zuhören können: in privaten Gesprächen einzelner Prälaten der Kirche ebenso wie zu deutlich offizielleren Anlässen – und viele der Diskussionen, die Merlin bislang mitangehört hatte, waren recht scharf geführt worden.
Tatsächlich schien das Ausmaß der Besorgnis, vor allem in den höheren Rängen der Kirche, der Größe und dem Bevölkerungsreichtum dieses Königreiches entsprechend völlig unangemessen zu sein. Allmählich vermutete Merlin, dass die Kirche über die Entwicklungsmöglichkeiten von Charis, die auch er bemerkt hatte, deutlich besser Bescheid wusste, als er ursprünglich angenommen hatte; und die zahlreichen Feinde des Königreiches, unter der Vorherrschaft von Prinz Hektor und Prinz Nahrmahn, fachten diese Feuer so kräftig an, wie sie es nur wagten.
Dass der Argwohn, mit dem die Kirche dem Königreich Charis gegenüberstand, mindestens ebenso emotional wie sachlich begründet war, arbeitete Hektor und Nahrmahn nur noch weiter zu. Natürlich mussten auch sie ein gewisses Maß an Vorsicht walten lassen – dass ihre eigenen Reiche selbst ebenso weit vom Tempel entfernt lagen, ließ einen gewissen Zweifel an ihrer eigenen Orthodoxie geradezu zwangsläufig aufkommen, vor allem für das Offizium der Inquisition –, doch weder Corisande unter der Führung von Hektor, noch Emerald unter der Regentschaft von Nahrmahn hatten auch nur ansatzweise den gleichen Einfallsreichtum an den Tag gelegt wie Charis. Die Agenten dieser beiden Prinzen, die im Tempel tätig waren, betonten vorsichtig genau das immer wieder und verbreiteten hoffnungslos übertriebene Gerüchte darüber, wie König Haarahld bereit sei, ›die Grenzen der Ächtungen der Jwo-jeng‹ auszutesten. Außerdem merkten sie auch immer wieder an, dass Haarahld offensichtlich bereit sei, ›die bestehende gesellschaftliche Ordnung zu stürzen‹ – und beides wurde stets durch beachtliche Geldspenden bekräftigt.
Es mochte etwas ausgefeilterer (oder zumindest diskreterer) Techniken bedürfen, um die Vikare selbst zum Umdenken zu bewegen, doch die weniger hochgestellten Geistlichen des Erzbistums und, was vielleicht noch wichtiger war, die Priester und Unterpriester, aus denen sich der Stab des Rates zusammensetzte – und die sich daher in einer idealen Position befanden, die Art und Weise zu beeinflussen, wie derartige Berichte ihre Vorgesetzten erreichten – reagierten auf schlichte Bestechung recht gut. Und Gleiches galt anscheinend auch für mehr als nur ein Mitglied des Rates selbst, und langsam aber stetig gewannen Hektor und Nahrmahn an Boden.
All dessen war sich Erzbischof Erayk ebenso bewusst wie jeder andere auch. An der Art und Weise, wie er mit seinen Kollegen diskutierte, und auch an den Anweisungen, die er Pater Mahtaio erteilt hatte, war deutlich erkennbar, dass er begriffen hatte, wie dringend erforderlich es für ihn sein würde, die Lage in Tellesberg genauestens zu beobachten, wenn er seiner Gemeinde den jährlichen Besuch abstattete. Offensichtlich wollte der Rat der Vikare von ihm persönlich eine Bestätigung erhalten, dass die Gerüchte, die ihnen zu Ohren gekommen waren, hoffnungslos übertrieben seien, oder dass der Erzbischof von Charis alle erforderlichen Schritte eingeleitet hatte, jegliche Probleme zu beseitigen.
Bedauerlicherweise durfte Merlin das keinesfalls zulassen, denn genau dieses eine Mal unterschätzten die Feinde König Haarahlds das, was Merlin Athrawes für das Königreich Charis geplant hatte. Er hatte nicht die Absicht, tatsächlich gegen die ›Ächtungen‹ zu verstoßen – noch nicht –, aber dieser feine Unterschied mochte einem Erzbischof durchaus entgehen, dem daran gelegen war, den Forderungen seiner geistlichen Oberen nachzukommen.
Und deswegen musste Merlin hier auf diesem Dach stehen und in dieser furchtbaren, regengepeitschten
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