Operation Arche - 1
Augenblick denke ich nicht sonderlich viel über ihn nach«, erwiderte er. »Ich weiß nicht, ob dieser Bursche wirklich so gut mit einem Schwert umgehen kann. Aber nach allem, was mit Nahrmahns Organisation auf Charis geschehen ist, scheint es doch recht offensichtlich, dass man nicht gerade ein Genie zu sein braucht − oder ein ›Seijin‹, angenommen, so etwas würde es tatsächlich nicht nur in den alten Märchengeschichten geben –, diese Organisation zu unterwandern. Für mich klingt das ganz so, als sei der über irgendetwas gestolpert, was ihm verraten hat, dass ein Attentat auf Cayleb geplant war – und seitdem hat er diese Informationen einfach immer weiter ausgenutzt.«
»Dann denkt Ihr, er sei nichts als ein einfacher Abenteurer, Sire?«
»Ich denke, das ist die naheliegendste Erklärung«, pflichtete Hektor ihm bei. »Gleichzeitig«, fuhr er dann ein wenig unwillig fort, »muss man aber auch bedenken, dass Haarahld, anders als Nahrmahn, nun wahrlich kein Narr ist. Angesichts der Tatsache, dass dieser Mann seinem Sohn ganz offensichtlich das Leben gerettet – oder zumindest maßgeblich dazu beigetragen hat –, würde ich von jemandem wie Haarahld nichts anderes erwarten, als besagten Mann wie einen Ehrengast zu behandeln. Wahrscheinlich würde er für diesen Mann irgendwo einen bequemen Posten bei Hofe suchen – und genau danach hört sich für mich dieser ›persönliche Leibgardisten‹-Posten an. Aber wenn dieser Merlin tatsächlich in den innersten Kreis von Haarahlds Ratgebern aufsteigt, dann wäre ich doch geneigt, in ihm mehr zu sehen als nur einen ›Abenteurer‹.«
»Sollen wir Schritte einleiten, ihn … aus dem Weg zu räumen, Sire?«
»Nachdem Nahrmahn dieses Attentat auf Cayleb verbockt hat?« Heftig schüttelte Hektor den Kopf und lachte rau. »Das Letzte, was wir gebrauchen können, wäre es jetzt, wenn unsere eigenen Leute – vorausgesetzt natürlich, wir haben überhaupt noch eigene Leute in Tellesberg – in ein zweites Attentat verwickelt wären! Wenn es gelänge, würde Haarahld vermutlich zunächst Nahrmahn verdächtigen, aber wir haben ja nun gerade erst deutliche Beweise dafür erlebt, dass derartige Attentate nicht immer ganz so verlaufen, wie sie geplant sind, nicht wahr?«
»Das scheint mir auch so, Sire«, gab Coris zu und lächelte erneut mit sehr schmalen Lippen.
»Nein«, beschloss Hektor nun. »Ich denke, wir warten eine Zeitlang ab, bevor wir uns dafür entscheiden, diesen freundlichen Seijin aus dem Weg räumen zu lassen. Solange er nicht zu einer ernst zu nehmenden Bedrohung für uns wird, gibt es doch deutlich sinnvollere Ziele, auf die wir uns konzentrieren sollten.«
.II.
Der Schoner Morgenröte, Vor Helen Island
»Also, Captain Rowyn? Was sagen Sie nun?«
Merlin musste schreien, um das Brausen des Windes und das Rauschen des Wassers zu übertönen. In gewaltigen Wolken aus weißen Federn und vielfarbig glänzender Haut wirbelten Möwen und Seewyvern im gleißenden Schein der Frühjahrsonne über den Himmel. Immer wieder stürzten sie sich auf den fünfzig Fuß langen Zweimast-Schoner Morgenröte, während dieser durch das schimmernde blaue Wasser der südlichen Howell Bay jagte; Gischt spritzte auf und erzeugte zahllose feine Regenbögen, und hinter dem Schiff schienen die weißen Schaumkronen des Meeres geradezu zu kochen.
Die Morgenröte war der erste Schoner auf ganz Safehold. Offiziell war Sir Dustyn Olyvyr der Konstrukteur dieser Takelung, und offiziell war Merlin nur einer der Passagiere an Bord. Doch Horahs Rowyn, der Skipper von Olyvyrs Privatjacht, der Ahnyet, gehörte zu dem kleinen, aber doch zunehmend größer werdenden Personenkreis, dem zumindest ein Teil der Wahrheit über diese neue Flut an Innovationen hatte erklärt werden müssen. Rowyn wusste genau, wem in Wirklichkeit die neue Takelage dieses umgebauten Küstenschiffes zu verdanken war, und so sehr er seinem Schirmherrn auch vertraute, war er doch Merlins Behauptungen gegenüber, welche Vorzüge dieser Umbau mit sich brächte, äußerst skeptisch gewesen.
Ganz offensichtlich änderte sich das gerade.
Der Captain – ein untersetzter, langsam kahl werdender Mann mit beeindruckend wettergegerbtem Gesicht, bei dem ein grauer Haarkranz eine sonnengebräunte Glatze umringte, stand auf dem kleinen Achterdeck und starrte fast ungläubig den Stander am Topp an, der die Windrichtung anzeigte.
Hart am Wind lag die Morgenröte auf Steuerbordbug. An sich war das nichts sonderlich
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