Operation Arche - 1
Ungewöhnliches, doch unter dem Druck ihrer brandneuen, schneeweißen Segel krängte sie scharf nach Steuerbord und kam dabei schneller voran, als man sich das auch nur im Traum hätte vorstellen können.
Selbst die besten Rahsegler, die man bislang auf Safehold entwickelt hatte, konnten kaum höher an den Wind gehen als seinerzeit Columbus’ Schiffe im Jahre 1492, und unter ›dicht am Wind‹ stellte man sich an Bord dieser Schiffe etwas deutlich anderes vor als hier an Bord der Morgenröte. Die Galeonen, die bislang die Meere von Safehold durchquert hatten, waren selbst unter Idealbedingungen allenfalls in der Lage, mit einem Winkel von siebzig Grad gegen die Windrichtung zu fahren – und das war für Nimue Alban wirklich kaum besser als ›raumschots segeln‹. Tatsächlich lagen die realistischeren Zahlen eher bei achtzig Grad, und die meisten Kapitäne auf Safehold wären mit einem derartigen Kurs wirklich mehr als zufrieden gewesen.
Doch die Morgenröte segelte mit weniger als fünfzig Grad am Wind. Selbst das war alles andere als spektakulär, wenn man bedachte, mit welchen Segelyachten Nimue die Meere von Terra schon befahren hatte. Doch die Morgenröte war durch den Umbau eines typischen Küstenseglers entstanden, wie sie üblicherweise die Howell Bay berühren. Sie hatte keinen allzu großen Tiefgang und war recht breit, ohne den üblichen Flossenkiel oder das Kielschwert dieser damaligen Jachten auf Terra. Merlin und Sir Dustyn hatten Seitenschwerter anbringen lassen, um die Stabilität des Schiffes zu verbessern, doch das war nur eine recht ungeschickte, behelfsmäßige Konstruktion, und auch mit der Schonertakelung konnte man deutlich weniger Höhe laufen als die Schaluppen oder Jollen, die Nimue seinerzeit zur reinen Entspannung gesegelt hatte.
Doch so enttäuscht Nimue Alban auch angesichts der Leistung der Morgenröte sein mochte, wenn sie das Verhalten dieses Schiffes mit den Erfahrungen verglich, die sie vor so langer Zeit auf der Nordsee von Terra gesammelt hatte, so hocherfreut war Merlin – und Rowyn war zutiefst erstaunt. Kein Schiff, das er jemals erlebt hatte, hätte es mit diesem Schoner aufnehmen können, und wenn zwanzig oder dreißig Grad für eine Landratte nur wenig bedeuten mochten, so lagen für einen erprobten Seemann darin doch ganze Welten.
Die einzige Möglichkeit für ein Segelschiff, sich annähernd gegen die Windrichtung fortzubewegen, bestand darin, so hart wie nur irgend möglich am Wind zu fahren und dabei immer wieder die Fahrtrichtung zu ändern, sodass der Wind erst von der einen, und dann von der anderen Seite in die Segel fiel. Selbst unter idealen Bedingungen war das eine langsame, anstrengende und geradezu entsetzlich ineffiziente Art und Weise voranzukommen, verglichen mit einem Kurs vor dem Wind oder damit, was ein Schiff unter eigenem Antrieb erreichen konnte. Oder auch eine Galeere …, zumindest solange den Ruderern noch nicht die Puste ausging.
Kreuzen, was eigentlich nichts anderes bedeutete, als das Schiff am Wind immer abwechselnd auf Steuerbord- und Backbordbug zu segeln, war aber dann durchaus effizienter, wenn das Schiff, das kreuzen sollte, genug Geschwindigkeit – und Steuerwirkung – hatte, um zu wenden, also mit dem Bug ›durch den Wind zu gehen‹. Wenn man jedoch bedachte, wie weit ein typischer Safehold-Rahsegler würde drehen müssen, um den Wind von der anderen Seite einfallen zu lassen, war das üblicherweise ein … problematisches Unterfangen, selbst unter Idealbedingungen. Deutlich häufiger hingegen, vor allem bei nur mäßigem oder gar leichtem Wind, musste ein derartiger Rahsegler stattdessen abfallen und mit dem Wind in die entgegengesetzte Richtung einen Kreis von über zweihundert Grad fahren, bis endlich der neue Kurs aufgenommen werden konnte. Dabei ging natürlich ein geradezu herzzerreißend großer Anteil der bereits erzielten Höhe wieder verloren, trieb doch der Wind das Schiff während dieses Manövers eine beachtliche Strecke leewärts.
Es war kaum überraschend, dass deshalb das Kreuzen die bevorzugte Technik darstellte, doch selbst dann musste ein Rahsegler bei jeder Wende immer noch mit einem Bogen von mehr als einhundertvierzig Grad durch den Wind gehen. Demgegenüber brauchte die Morgenröte bei einem Wendemanöver kaum mehr als neunzig Grad zu drehen. Damit musste sie eine deutlich kleinere Zone ohne jeden Windvortrieb durchqueren, und mit ihrer Takelung konnte sie deutlich schneller ›über Stag gehen‹ −
Weitere Kostenlose Bücher