Operation Arche - 1
ihn. Doch dann fuhr der Kanzler ernst fort: »Allerdings unterscheiden sich die Berichte, die uns in den letzten Monaten erreicht haben, deutlich von allen bisherigen. Sie scheinen von zahlreichen unterschiedlichen Quellen zu stammen, und zu viele von ihnen stimmen in Form und Inhalt nahezu überein.«
»Ich bin in den letzten Fünftagen nicht dazu gekommen, meine Korrespondenz abzuarbeiten, wie ich es eigentlich hätte tun sollen, Euer Durchlaucht«, sagte Dynnys langsam und vorsichtig. »Haben sich in dieser Zeitspanne weitere Veränderungen ereignet?«
»In gewissem Maße sehr wohl«, bestätigte Trynair. Dynnys richtete sich ein wenig weiter auf, verzog dann angesichts dieser unbedachten Bewegung vor Schmerz das Gesicht, und Trynair schüttelte hastig den Kopf. »Es ist mehr eine Frage des Ausmaßes als des Inhalts, Erayk«, erklärte er. »Und um der Wahrheit die Ehre zu geben, ich halte es für durchaus möglich, dass das jahreszeitlich bedingte Ausfallen unserer Semaphoren uns im Tempel dazu bewogen hat, die letzten Korrespondenzen deutlich aufmerksamer durchzuschauen, als wir das unter anderen Umständen vielleicht getan hätten. Schließlich …« – er lächelte, fast reumütig – »ist es ja nicht gerade so, als würden große Mengen neu eintreffender Schreiben uns von unseren Frostbeulen ablenken.«
Pflichtschuldigst lachte Dynnys, doch sein Blick blieb sehr ernst, und Trynair zuckte mit den Schultern.
»Ich habe auch Pater Paityrs Bericht über diese ganzen neuen ›Innovationen‹ gelesen, die aus Charis kommen, und Vikar Zhaspyr und diverse andere Mitglieder des Rates ebenso. Während Pater Paityr seine Pflichten anscheinend in der gewohnten gewissenhaften, konzentrierten Art und Weise erfüllt, ist Vikar Zhaspyr nicht mit allen seiner Schlussfolgerungen zufrieden.«
Nun war Dynnys ernstlich beunruhigt. Er versuchte nach Kräften, es sich nicht anmerken zu lassen, doch er spürte sogleich, dass ihm das nicht vollends gelungen war, und verwünschte diese benebelnde Wirkung des Mohnsafts.
»Niemand ist der Ansicht, wir hätten es hier tatsächlich mit einer echten Missachtung der Ächtungen zu tun, Erayk«, suchte der Vikar ihn zu beruhigen. Doch jegliche Beruhigung, die er damit hätte erzielen können, verflog sofort wieder, als er weitersprach. »Zumindest noch nicht. Aber es gibt ernstliche Besorgnis darüber, wohin Ihre Charisianer wohl steuern, wenn sie in dieser Richtung weitermachen.«
»Euer Durchlaucht, ich versichere Euch, dass ich, sobald ich wieder reisefähig bin, sofort …«
»Erayk, Erayk!« Trynair schüttelte den Kopf. »Niemand erwartet, dass Sie jetzt von ihrem Krankenbett aufspringen und mitten im Haven-Winter nach Charis aufbrechen! Wie ich schon sagte: Es gibt bislang keine Hinweise darauf, dass die Ächtungen bereits übertreten worden seien. Unsere Sorgen gelten der Zukunft, und ich bin mir sicher, dass keinerlei Bedarf besteht, Sie jetzt durch diesen Schnee stapfen zu lassen, damit Sie sich sofort darum kümmern. Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie die Reise zu Ihrer Gemeinde im nächsten Jahr auf den frühstmöglichen Zeitpunkt anberaumen würden, aber niemand verlangt, dass Sie zu Ihrer Erzdiözese aufbrechen, bevor im Frühjahr das Eis in der Hsing-Wu-Passage schmilzt.«
»Ich danke Euch, Euer Durchlaucht. Auch das … weiß ich zu schätzen, und selbstverständlich werde ich dafür sorgen, dass ich so schnell, wie es nur durchführbar ist, diese Reise antrete.«
»Gut. Aber in der Zwischenzeit sollten Sie erfahren, wie der Rat darüber denkt«, sagte Trynair noch ernster. »Gerade gestern Abend haben Vikar Zhaspyr, Vikar Rhobair, Vikar Allayn und ich während eines zwanglosen Abendessens darüber gesprochen.«
Trotz der Wärme, die diesen Raum ausfüllte, spürte Dynnys doch, wie sich in seinem Knochenmark Eiskristalle zu bilden drohten. Zhaspyr Clyntahn war der Großinquisitor, Rhobair Duchairn der Erste Schatzmeister der Kirche, Allayn Magwair war Captain General der Kirche, und Trynair selbst war der Kanzler des Rates. Das bedeutete, dass Trynairs ›zwangloses Abendessen‹ in Wirklichkeit eine Arbeitssitzung der Vierer-Gruppe gewesen war. Der gesamten Vierer-Gruppe.
»Das Problem, Erayk«, fuhr Trynair im gleichen ernsthaften Tonfall fort, »ist nun Folgendes: Ob Haarahld von Charis das beabsichtigt oder nicht, sein Königreich hat eindeutig das Potenzial, zu einer ernst zu nehmenden Bedrohung zu werden. Was immer Pater Paityr über ihre derzeitigen
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