Operation Arche - 1
Straßen finden, die sterblichen Überreste all der Opfer unter den Ärmsten der Stadt, die Kälte, Hunger und das Fehlen eines Obdachs unter ihnen gefordert hatten.
»Und es wäre«, fuhr Trynair fort und blickte sein Gegenüber sehr ruhig an, »nicht aufrichtig von mir, würde ich nicht sagen, dass es mir sehr viel lieber wäre, Sie jetzt dort zu wissen.«
»Euer Durchlaucht, vergebt mir, aber ich glaube, Ihr wolltet heute Morgen nicht einfach nur bei mir ›vorbeischauen‹. Euer Besuch ehrt mich natürlich zutiefst, aber ich werde doch nicht den Verdacht los, dass Ihr in Wahrheit etwas deutlich ernsthafteres als das Wetter auf dem Herzen habt.«
»Ich denke, ich habe mich tatsächlich einer kleinen Notlüge schuldig gemacht«, gestand Trynair ein und lächelte. Kurz nippte er wieder an seiner heißen Schokolade, dann stellte er die Tasse ab. »Ich habe noch anderes in der Stadt zu erledigen – soweit war es sehr wohl die Wahrheit, Erayk. Aber Sie haben recht: Ich habe tatsächlich eigene Sorgen, die ich Ihnen gerne vortragen würde.«
»Selbstverständlich, Euer Durchlaucht. Bitte sagt mir, wie ich Euch und der Kirche zu Diensten sein kann.«
Dynnys bemerkte sehr wohl, dass seine Stimme recht vorsichtig klang, doch Trynair ignorierte das. Zweifellos war der Kanzler diese Art Reaktion gewohnt. Als das oberste Mitglied dieser Gruppe von Vikaren, die gemeinhin (und selbstverständlich ausschließlich inoffiziell) als die ›Vierer-Gruppe‹ bekannt war, stellte er den einflussreichsten Mann im ganzen Tempel dar.
Jeder wusste, dass man Großvikar Erek XVII. nur deswegen in den Stand eines Großvikar erhoben hatte, weil Trynair einfach viel zu beschäftigt gewesen war, um Langhornes Thron für sich selbst zu beanspruchen. Und es war auch gar nicht erforderlich. Erek XVII. war kaum mehr als ein Strohmann, der vollständig von Trynair und dem Großinquisitor beherrscht wurde, den beiden vorherrschenden Personen dieser Vierer-Gruppe. Gemeinhin wurde gesagt – wenngleich immer nur sehr, sehr leise, und auch das zugehörige Lachen verkniff man sich besser –, dass der Großvikar regelmäßig bewies, wie unabhängig er doch von Trynair sei – indem er ganz für sich allein entschied, welche Schuhe er anzog.
»Niemand ist unzufrieden mit den Diensten, die Sie bislang geleistet haben, Erayk«, erwiderte Trynair mit beruhigender Stimme. »Aber, und ich bin mir sicher, dass Ihnen das nicht entgangen sein wird, viele Mitglieder des Rates sind zunehmend … beunruhigt über den immer weiter zunehmenden Reichtum von Charis, und auch den Einfluss dieses Reiches, für den nun einmal das Gleiche gilt. Es halten sich hartnäckig Gerüchte, das Königreich suche nach neuen Techniken und Erkenntnissen, die eindeutig unter die Ächtungen fallen. Und es gibt ähnlich hartnäckige Gerüchte, es sei Haarahld und seinen Ministern gelungen, sich der pflichtschuldigen Abgabe ihres Zehnten zu entziehen. Dann gab es dieses Problem mit Hanth. Und natürlich ist da immer noch diese ›Königliche Hochschule‹, die Haarahld nach wie vor betreibt.«
Der Kanzler schüttelte den Kopf, sein Gesichtsausdruck wirkte sehr nachdenklich, und Dynnys holte, so unauffällig wie möglich, tief Luft.
»Euer Durchlaucht«, setzte er dann an, »ich bin mir sehr wohl der Tatsache bewusst, dass diese Gerüchte und Darstellungen, von denen Ihr gesprochen habt, sorgfältig werden erwogen und überdacht werden müssen. Aber ich habe sämtliche Berichte von Bischof-Vollstrecker Zherald und von Pater Paityr dem Rat zugänglich gemacht. Und meine eigenen Beobachtungen, aus meinen letzten Reisen zu meiner Gemeinde, legen nahe …«
»Erayk«, unterbrach Trynair ihn, hob die Hand und schüttelte den Kopf; dabei lächelte er ein wenig schief, und der Erzbischof hielt inne.
»Niemand wirft Ihnen oder Bischof-Vollstrecker Zherald jegliche Vergehen vor oder bezichtigt Sie, Ihre Pflichten vernachlässigt zu haben. Ich habe zahlreiche Ihrer Berichte persönlich gelesen, und ich habe auch andere Informationsquellen genutzt. Ich habe unbegrenztes Vertrauen in Ihren Verstand und darauf, dass Sie die Pflichten Ihrer Erzdiözese nicht vernachlässigen. Und ich glaube, dass Ihre Beobachtungen, die Sie uns in der Vergangenheit kundgetan haben, stets äußerst genau und präzise waren.«
»Ich danke Euch, Euer Durchlaucht«, sagte Dynnys, als Trynair eine kurze Pause einlegte. »Ich weiß das zu schätzen.«
»Das ist nicht mehr, als Ihnen zusteht«, beruhigte Trynair
Weitere Kostenlose Bücher