Operation Arche - 1
brach zusammen, und der Fremde trat einen Schritt vor. Ein Stiefel krachte auf die Schwerthand des Verwundeten herab, und der Gegner stieß einen weiteren Schrei aus, als zahlreiche kleine Knochen splitterten. Der Attentäter wand sich, versuchte mit der linken Hand einen Dolch aus der Scheide an seinem Gürtel zu ziehen, und wieder zuckte das Schwert des Fremden vor und durchtrennte die Sehnen seines Handgelenks.
Nach einem Herzschlag war alles vorbei, und dann stand Cayleb plötzlich vor dem Fremden, der ihm gerade das Leben gerettet hatte. Zu ihren Füßen zuckte immer noch, lautstark schluchzend, der einzige überlebende Angreifer.
»Mir war der Gedanke gekommen«, sagte der Fremde mit einem sonderbaren, abgehackten Akzent, und Cayleb fielen seine sonderbar saphirleuchtenden Augen auf, »dass Ihr diesem Burschen vielleicht einige Fragen darüber werdet stellen wollen, wer ihn geschickt hat, Euer Hoheit.«
.II.
Harith-Vorgebirge, in der Nähe von Rothar, Königreich Charis
Kronprinz Cayleb wusste, dass er seinen völlig unerwartet erschienenen Retter in unziemlicher Art und Weise anstarrte, doch er konnte nichts dagegen tun. Der Fremde sah anders aus als jeder andere Mensch, den Cayleb jemals zuvor gesehen hatte. Seine Haut war noch blasser als die von Pater Paityr Wylsynn, und Cayleb hatte noch nie so dunkle, blaue Augen gesehen. Doch während Pater Paityrs Haut und seine grauen Augen zu einem widerspenstigen, roten Haarschopf gehörten, war das Haar dieses Mannes ebenso dunkel wie Caylebs eigenes. Und der Fremde war noch gut zwei Zoll größer als Cayleb selbst.
Zugleich war er fast unglaublich gut aussehend, trotz der schmalen, weißen Narbe auf seiner rechten Wange. In mancherlei Hinsicht hatten seine Gesichtszüge etwas nachgerade weibliches, trotz des säuberlich gewachsten Schnurr- und des Kinnbartes, doch auch das gab, ebenso wie die fast piratenartige Narbe, seinem Gesicht eine gewisse exotische Feinheit. Alles in allem war er ein äußerst beeindruckender Mann, der hier in der buchstäblichen letzten Sekunde aufgetaucht war.
Das brachte natürlich sofort die Frage mit sich, wie ihm das gelungen sein konnte. Cayleb mochte vielleicht nicht der belesenste Schüler sein, den seine Lehrmeister jemals erlebt hatten, doch mit grundlegender Logik konnte er sehr wohl umgehen, und er kannte sich auch in Geschichte und der Kunst der Staatsführung aus – und sein Vater hatte ihn persönlich in all die Formen des Misstrauens eingewiesen, die für ein Staatsoberhaupt nun einmal erforderlich waren. Und auch wenn sich Cayleb sehr wohl der Tatsache bewusst war, dass Zufälle sich wirklich ereignen konnten, wusste er auch, dass bestimmte ›Zufälle‹ einfach arrangiert wurden. Vor allem, wenn die Leute, die dafür zuständig waren, in einem undurchsichtigen Kampf um die höchsten nur erdenklichen Güter verwickelt waren.
»Ich hoffe, Sie werden mir verzeihen, wenn ich das so unverblümt ausspreche«, sagte der Prinz, ohne das eigene Schwert zu säubern oder gar in die Scheide zurückzuschieben, »aber Sie scheinen mir gegenüber in einem gewissen Vorteil. Sie wissen, wer ich bin, aber ich habe keine Ahnung, wer Sie sind, Sir.«
»Was unter den gegebenen Umständen zweifellos verdächtig wirken muss, Euer Hoheit«, gab der Fremde zurück, lächelte und deutete eine Verbeugung an. »Man nennt mich Merlin, Prinz Cayleb, Merlin Athrawes, und der Grund dafür, dass die gegebenen Umstände verdächtig erscheinen, ist schlicht und einfach, dass sie es wahrlich sind. Ich bin kaum zufällig in dieser Gegend, und zu erklären, wie es mir gelingen konnte, hier einzutreffen, wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Doch vorerst …« – er beugte sich vor, riss seinem letzten, jammernden Opfer ein Stück Stoff aus dem Kasack und wischte geschickt die Klinge seiner Waffe ab – »… wird man sich sowohl um diesen Burschen hier als auch Lieutenant Falkhan kümmern müssen.«
Cayleb zuckte zusammen, als ihm das Schicksal des Kommandanten seiner Leibgarde wieder ins Gedächtnis zurückgerufen wurde, und blickte schnell zum Lieutenant hinüber. Falkhan saß auf den Kiefernnadeln; mit glasigem Blick versuchte er mit beiden Händen das Blut aufzuhalten, das aus der Oberschenkelwunde quoll, und nun ging der Kronprinz zügig zu ihm hinüber. Dann hielt er inne und schaute hastig zu ›Merlin‹ hinüber, als ihm bewusst wurde, wie leicht es dem Fremden gefallen war, ihn einfach abzulenken.
Doch der andere Mann stand nur dort, die
Weitere Kostenlose Bücher