Operation Arche - 1
Athrawes. Und es überrascht mich nicht im Mindesten, dass Sie Fragen haben, Lieutenant Falkhan. Ich an Ihrer Stelle hätte sie zweifellos. Und auch wenn ich mir doch sicher sein kann, seiner Hoheit dem Prinzen kein Leid zufügen zu wollen, so gibt es doch keinen Grund, warum auch Sie dieser Ansicht sein sollten. Wenn Sie also Fragen haben, die ich beantworten kann, so stellen Sie diese nur!«
Falkhan neigte den Kopf zur Seite, seine Miene wirkte skeptisch, und es gelang ihm, ein wenig Zeit zu schinden, indem er mit schmerzverzerrtem Gesicht sein verletztes Bein in eine etwas bequemere Lage brachte; so sehr Falkhan diesen kurzen Aufschub auch benötigte, war diese Veränderung seiner Sitzposition doch tatsächlich notwendig gewesen. Ihm war nur zu bewusst, dass seine Benommenheit diese ganze Situation nicht gerade ideal für bohrende, tiefschürfende Fragen machte. Bedauerlicherweise war das hier der einzige Zeitpunkt, an dem das geschehen konnte -und musste; sein nur unzureichend funktionierender Verstand hatte hier keine Rolle zu spielen. Außerdem gab ihm irgendetwas an Merlins gesamtem Auftreten das Gefühl, der Zeitpunkt sei ohnehin bedeutungslos: In einem Kampf, in dem es auf den Verstand ankam, würde er diesem Merlin schlichtweg hoffnungslos unterlegen sein.
»Da Sie so liebenswürdig waren, zur Kenntnis zu nehmen, dass meine Pflichten meinem Prinzen gegenüber es erforderlich machen, vermeintlichen Zufällen gegenüber stets misstrauisch zu sein«, sagte er dann nach kurzem Schweigen, »könnten Sie vielleicht damit beginnen, mir zu erklären, wie es kommt, dass Sie sich zu einem derartig … günstigen Zeitpunkt hier aufhalten.«
Falkhan spürte, dass Cayleb, gegen den er sich immer noch lehnte, ein wenig unruhiger wurde, und so griff er unauffällig hinter sich und umklammerte kurz den Knöchel des Prinzen. Er kannte seinen Kronprinzen gut genug, um zu wissen, dass Cayleb – so sehr er sich auch der Tatsache bewusst sein mochte, dass Vorsicht angeraten war – doch immer noch genügend von diesem romantischen Vertrauen in die Heldenballaden aus seiner Kindheit verblieben war – und auch das Wissen darum, wie die dort handelnden Personen zu reagieren hatten –, um sich angesichts einer derart offenen Herausforderung unwohl in seiner Haut zu fühlen.
Doch dieser Athrawes (was war das denn überhaupt für ein Nachname?) schien eher belustigt als beleidigt. Nun gestand er sich seinerseits ein wenig Zeit zu, um noch einmal die schlichten, aber doch effizienten Verbände des verwundeten Attentäters zu überprüfen, dann nahm er mit geschmeidigen Bewegungen im Schneidersitz auf dem Bett aus Kiefernnadeln Platz.
»Um mit dem Anfang zu beginnen, Lieutenant …«, hob er dann mit diesem sonderbar abgehackten Akzent an, »… ich komme von den Bergen des Lichts. Auch wenn ich dort nicht geboren wurde, habe ich doch dort zwischen den Gipfeln seit vielen Jahren mein Heim, und nach langem, sorgsamem Studieren bin ich mit zumindest einigen Kräften eines Seijin gesegnet.«
Falkhans Augen verengten sich zu Schlitzen, und Gayleb hinter ihm sog hörbar die Luft ein. In den Bergen des Lichts lag der zweitheiligste Ort auf ganz Safehold: der gewaltige Olymp, auf dem der Erzengel Langhorne zum ersten Mal den Fuß auf das Erdreich von Safehold gesetzt hatte, nachdem Gott am nebligen Morgen der Schöpfung das Firmament erschaffen hatte. Und die Seijin waren fast eine Legende – Krieger, Heilige Männer, gelegentlich Propheten, gelegentlich Lehrer. Nur die Erzengel selbst vermochten das Surgoi kasai zu überstehen, Gottes Eigenes mystisches Feuer, doch die Seijin waren vom Anshinritsumei berührt, Gottes ›kleinem Feuer‹, und damit waren sie für alle Zeiten von gewöhnlichen Sterblichen geschieden.
Soweit der Lieutenant das wusste, hatte noch kein wahrer Seijin jemals das Königreich Charis aufgesucht, und wenn jemand ein Seijin zu sein behauptete, so bewies dies zunächst einmal überhaupt nichts. Auch wenn, so musste er sich eingestehen, es deutlich mehr Mut erforderte, sich fälschlicherweise als Seijin auszugeben, als die meisten Menschen aufzubringen in der Lage waren.
»Das … ist eine interessante Behauptung, Sir«, sagte Falkhan nach kurzem Nachdenken langsam.
»Und schwierig zu beweisen«, stimmte Merlin zu. »Glauben Sie mir, Lieutenant, dessen bin ich mir ebenso gut bewusst wie Sie.« Er lächelte, es war fast schon ein schiefes Grinsen, und lehnte sich zurück. »Tatsächlich muss ich zugeben, dass
Weitere Kostenlose Bücher