Operation Arche - 1
Haustiere, sondern auch seine Tarnung – auch das gleich in mehrerlei Hinsicht. Sie sorgten für sein Einkommen, und sein Beruf erklärte auch, warum ständig neue Wyvern den Platz der Tiere einnahmen, die er verkaufte. Und das verschleierte natürlich in äußerst angenehmer Art und Weise die Tatsache, dass zwei oder drei der Tiere in jeder Lieferung, die er erhielt, in Wirklichkeit Brief-Wyvern aus Prinz Nahrmahns eigenem Schlag in Eraystor waren.
Jetzt zog Lahang den verschlüsselten Bericht aus der Tasche seines Kasacks. Er war auf feinstem Harchong-Papier abgefasst, unglaublich dünn und doch robust – und entsprechend kostspielig –, doch das war noch die geringste seiner Sorgen, als er nun die Klappe des Schlages öffnete und eine klare, deutlich erkennbare Tonfolge gurrte.
Eine der Wyvern im Inneren des Schlages pfiff ihre Gefährten herrisch an. Einige von ihnen wichen zu langsam aus, und so versetzte sie ihnen mit dem vorderen Flügelpaar einige harte Schläge, bis sie unterwürfig die Köpfe senkten und ihr aus dem Weg gingen. Dann stand sie in der Klappe und streckte den langen Hals, damit Lahang ihr die schuppige Kehle kraulen konnte, während sie das Gurren ihres Herrchens leise erwiderte.
Einige Augenblicke lang kraulte Lahang das Tier noch, dann hob er es aus dem Schlag heraus und schloss die Klappe wieder; sorgfältig achtete er darauf, sie auch wieder ordnungsgemäß zu verschließen. Die Wyvern kauerte jetzt auf dem Dach des Schlages, streckte ihm gehorsam ein Bein entgegen und schaute, den Kopf leicht zur Seite gelegt, aufmerksam zu, wie sein Herrchen den Bericht am Haltering befestigte. Noch einmal vergewisserte sich Lahang, dass das Schreiben angemessen fest saß, dann nahm er die Wyvern auf die Arme und trat bis an die Kante des Daches heran.
»Guten Flug!«, flüsterte er dem Tier ins Ohr und warf es aufwärts.
Die Wyvern pfiff ihm noch einen Abschiedsgruß zu und umrundete einmal das Dach des Hauses. Dann schoss sie schnurgerade nach Norden.
Einen Augenblick lang blickte Lahang ihr hinterher, dann holte er tief Luft und ging wieder auf die Treppe zu. Innerhalb der nächsten sechs Tage sollte Prinz Nahrmahn seinen einleitenden Bericht in den Händen halten, doch er kannte seinen Herrn nur zu gut. Der Prinz würde vollständige Details erfahren wollen, woran genau ihr Plan, den Erben von Charis zu ermorden, gescheitert war – und das bedeutete, dass Braidee Lahang die Aufgabe zufallen würde, detailliert herauszufinden, was denn nun eigentlich genau geschehen war.
Idealerweise, ohne dabei den Kopf zu verlieren.
.IV.
Königlicher Palast, Tellesberg, Königreich Charis
Der Mann, der sich ›Merlin Athrawes‹ nannte, blickte sich im Wohnraum seiner Gäste-Suite im königlichen Palast von Tellesberg um, der Hauptstadt des Königreiches Charis. Es war ein hübsches, luftiges Gemach, mit hohen Decken, wie sie bei warmem Klima vorteilhaft waren; es lag im zweiten Stockwerk des Turms von Königin Marytha. Zudem war der Raum bequem möbliert und bot eine herrliche Aussicht auf den Hafen, und ein Raum im Turm Königin Marythas war ein Zeichen größten Respekts. Der Turm, in dem üblicherweise Botschafter anderer Reiche untergebracht wurden, lag an der Grenze zwischen dem Trakt des Palastes, in dem die Privatgemächer der königlichen Familie lagen, und dem etwas öffentlicheren Teil des Gebäudes.
Natürlich gab es keine Türen, die geradewegs von dem Turm in die Privatgemächer der königlichen Familie führten, und zufälligerweise waren ständig Wachen vor dem einzigen Ein- und Ausgang des Turms postiert – zweifellos nur, um die Botschafter, denen man höchsten Respekt zollte, zu beschützen.
Merlin lächelte und schlenderte zu dem Spiegel oberhalb der mit herrlichen Intarsienarbeiten verzierten Kommode im Schlafgemach der Suite hinüber. Der Spiegel bestand aus versilbertem Glas, und nun betrachtete Merlin sein erstaunlich klares, scharfes Spiegelbild, das sich auf der leicht gewellten Oberfläche abzeichnete, fast als wäre es der Anblick eines völlig Fremden.
Was in vielerlei Hinsicht ja auch zutraf.
Er verzog das Gesicht, dann lachte er, leise und ein wenig reumütig, und fuhr mit der Fingerspitze über den säuberlich eingewachsten Schnurrbart. Es war – das musste er sich selbst eingestehen – eine ausgezeichnete Verkleidung.
Zu den Leistungsmerkmalen eines voll ausgestatteten PICA der letzten Generation gehörte auch, dass es seinem Anwender möglich war, ›sich‹
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