Operation Beirut
hat, dass er zusehen musste, wie man das bei seinem älteren Bruder machte, und dass der vor Schmerzen laut geschrien hätte. Als er dann einige Jahre später selbst an der Reihe war, lief er dem Scheich davon, genau in dem Augenblick, als der sein Messer ansetzte. Ich bin mir nicht sicher, ob der arme Junge jemals darüber hinweggekommen ist.»
Jane machte so große, unschuldige Augen, während sie diesen Geschichten lauschte, dass sich in der Libanesin mit einem Mal der Verdacht regte, mit den Erfahrungen ihrer amerikanischen Begleiterin könnte es ja wohl nicht so weit her sein – ob sie nun die Pille nahm oder nicht.
«Meine Liebe», sagte Solange. «Hatten Sie je einen Araber als Liebhaber?»
Jane senkte einfältig den Kopf.
«Um ehrlich zu sein, nein», sagte sie.
«Möchten Sie gerne wissen, wie sie sind?»
«Im Bett?», flüsterte Jane.
«Ja», sagte Solange.
«Ich denke schon. Ja, ich denke, ich würde es ganz gerne wissen.»
«Sie geben keinen Laut von sich, während sie einen lieben!», sagte die Libanesin.
«Was?»
«Sie sprechen nie auch nur ein Wörtchen. Sie stöhnen noch nicht einmal. Sie rufen deinen Namen nicht. Man weiß nie, wann sie fertig sind.»
«Warum?», fragte Jane. «Warum sind sie so still?»
«Ich glaube, das kommt daher, dass sie sich schämen. Araber sind sehr sauber, wissen Sie. Das macht der Koran, in dem seitenweise geschrieben steht, wie man sich richtig wäscht. Und vielleicht glauben sie deshalb, dass Sex mit Frauen etwas Schmutziges ist.»
«Etwas Schmutziges?»
«Ja, denn sobald sie es hinter sich haben, laufen sie los und waschen sich.»
«Wirklich?» Janes Erstaunen wuchs mit jedem weiteren Wort dieser Unterhaltung.
«Ja.»
«Und was ist, Sie wissen schon, vorher …?»
«Mit dem Vorspiel?», sagte Solange bereitwillig. «Davon haben die noch nicht mal gehört. So etwas kommt denen nicht mal in den Sinn.»
«Nicht?»
«Ach was», sagte Solange.
«Aber, entschuldigen Sie, wenn ich Sie so frage, warum nimmt sich dann eine Frau, die noch alle Tassen im Schrank hat, einen Araber als Liebhaber? Es hört sich nicht nach besonders viel Spaß an.»
Solange lächelte. Ihr Gesichtsausdruck glich dem einer vor geheimen Wonnen wohlig schnurrenden Katze.
«Es gibt einige arabische Männer, die anders sind», sagte Solange.
«Und wie sind die?»
«Ach, meine Liebe», sagte Solange. «Wie soll ich Ihnen das beschreiben? Sie sind Gottes Entschuldigung für die Unzulänglichkeiten aller anderen. Sie sind, als wären sie Männer und Frauen zugleich. Hart und weich, mit kräftigen Körpern und zärtlichen Händen. Ihre Augen sind so dunkel wie der Himmel in einer mondlosen Nacht. Und sie sind unermüdlich. Wenn es sein muss, schlafen sie den ganzen Tag, um für die Nacht genug Kraft zu haben.»
Solange schloss die Augen, und ihre Stimme verlor sich. Sie denkt an letzte Nacht, dachte Jane. Soweit sie sich erinnern konnte, war dies das erste Mal, dass sie einer anderen Frau gegenüber einen Anflug von Neid verspürte.
Das Essen wurde serviert. Beide Frauen waren sehr hungrig. Jane, die normalerweise eine schlechte und verwöhnte Esserin war, stellte plötzlich fest, dass sie die weißen Beeren mit den Fingern von der Seezunge pickte und sie sich eine nach der anderen in den Mund fallen ließ. Solange verschlang ihren Hummer in kleinen Häppchen; sie knackte die Scheren, entzog ihnen das Fleisch vorsichtig mit der Gabel und tunkte es in eine silberne Tasse mit geschmolzener Butter. Um ihr Seidenkleid zu schützen, hatte ihr der Ober eine große rote Serviette um den Hals gebunden, was ihr exotisches, wildes Aussehen noch betonte.
«Wissen Sie, was mich an arabischen Männern stört?», fragte Jane. «Dass sie zwar ganz verrückt nach Sex sind, aber Angst vor den Frauen haben.»
«Das ist schon möglich», sagte Solange. Sie saugte an einem der stacheligen Hummerbeine.
«Ich habe mir das erst gestern wieder gedacht», sagte Jane. «Ich habe einige Männer in der Rue Hamra dabei beobachtet, wie sie über eine Frau aus dem Westen ins Schwärmen gerieten. Sie trug eine maßgeschneiderte Bluse und einen enganliegenden Rock. Ich nehme an, es war eine Stewardess. Aber es war das Verlangen auf den Gesichtern der Männer, das mir Angst machte.»
«Warum?», fragte Solange. Sie hatte den Hummer beiseitegelegt und betupfte sich mit der Serviette den Mund.
«Weil ich mir dachte: Das ist genau das, was die Araber von uns wollen, vom Westen, meine ich. Sie wollen Sex von uns.
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