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Operation Beirut

Operation Beirut

Titel: Operation Beirut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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Uninteressiertheit der Syrer an ihrer Vergangenheit. Obwohl die Burg ein beeindruckendes Monument war, war sie für gewöhnlich völlig menschenleer.
    Levi blieb am Tor stehen, zahlte einem ziemlich verschlafen dreinschauenden Wächter zehn Piaster und betrat die Ruinen der Festung. Er wandte sich nach links und ging zweihundert Schritte, genau wie es die Instruktionen vorschrieben. Dann hielt er an und sah sich nach einer Brustwehr mit einem Kreidezeichen um; das Zeichen dafür, dass der tote Briefkasten gefüllt war. Bei der Markierung sollte es sich um ein Hakenkreuz handeln, was Levi als ziemlich üblen Scherz empfand, einem anderen aber wohl als Zeichen höchster Professionalität vorgekommen sein musste.
    Viele der Zinnen waren bekritzelt; Arabische Namen, von rechts nach links geschrieben; die eingeritzten Namen von Liebespaaren. Aber kein Zeichen. Vielleicht hatte er sich beim Abzählen der Schritte vertan. Sollte er noch einmal von vorn anfangen? Doch dann sah er es. Ein winziges Hakenkreuz, mit weißer Kreide gezeichnet. Niemand war zu sehen.
    Levi ging noch genau fünfundzwanzig Schritte weiter – im Spaziergängertempo schlendernd –, schaute über die Stadt hinaus, wie es ein Tourist gemacht hätte. Dann blieb er stehen. Er sah ihn in einer Spalte im Stein versteckt, genau dort, wo die Instruktionen es angegeben hatten: einen kleinen braunen Papierumschlag mit vier Rollen Mikrofilm von syrischen Militärdokumenten, die ein verstimmter sunnitischer Armeeoffizier gemacht hatte – in dem Glauben, dass er für die Türken arbeitete. Levi sah sich um. Noch immer niemand zu sehen. Es war zu einfach. Er ließ den Umschlag in seiner Tasche verschwinden, drehte sich dann um und setzte seinen langsamen Spaziergang um den Verteidigungswall der Burg fort.
    Levi kehrte in sein Hotel zurück, packte seine Tasche und zog aus. Er gab dem Hotelpagen ein großzügiges Trinkgeld; der verbeugte sich vor ihm und nannte ihn «Effendi». Er entschuldigte sich beim Inhaber, dass er schon wieder abreiste, aber man erwarte ihn im Haus eines syrischen Landwirtschaftskaufmanns, der dreißig Meilen südöstlich von Aleppo wohnte. Der Syrer war daran interessiert, Tomaten nach Europa zu exportieren, und Levi hatte den Vertrag bei sich. Auf der Straße hinter Aleppo entspannte er sich etwas. Einen hatte er; lagen also noch drei vor ihm.
     
    Der zweite Briefkasten war in Sednaya, einem Dorf in den Bergen zwischen Homs und Damaskus. Das Dorf war aus den felsigen Steilhängen eines Berges gekratzt worden und ähnelte in dem trockenen und staubigen Klima Zentralsyriens einer Höhlenbehausung der Puebloindianer aus dem amerikanischen Südwesten.
    Die Bewohner der Gegend waren syrische Christen; ein Ableger der Ostkirche. Sie unterhielten ein Kloster direkt vor dem Dorf, was das Dorf zu einer Touristenattraktion machte – zumindest für syrische Verhältnisse. Der wahre Stolz und die Freude von Sednaya war jedoch etwas ganz anderes. Die Männer des Dorfes, Väter wie Söhne, waren Lastwagenfahrer, und sie hielten sich für die gewieftesten Schmuggler der arabischen Welt. Waffen, Haschisch, Whisky; was immer der Markt benötigte. Sie kannten die versteckten Straßen, die über den Mount Lebanon führten und die kein Zollbeamter je gesehen hatte. Sie kannten selbst Wege in den weglosen Wüsten Arabiens. Die Männer von Sednaya gaben ideale Agenten ab, weil sie einfach überall hinkamen und alles sahen; aber sie waren auch gefährlich. Ein Schmuggler ist immerhin jederzeit bereit, sich ein besseres Angebot durch den Kopf gehen zu lassen.
    Levis Agent war angeblich zuverlässig. Zehn Jahre auf der Gehaltsliste und kein einziger Fehler. Er besorgte gestohlene Militär- und Regierungspapiere, ohne zu wissen, dass er für die Israelis arbeitete. Ein Mann, der nur des Geldes wegen dabei war. Ein Mann, überlegte Levi, der womöglich seine Mutter verkaufen würde, wenn nur der Preis stimmte.
    Der Briefkasten lag in einer waldigen Gegend einige Meilen vom Dorf entfernt. Levi näherte sich vorsichtig. Immer darauf bedacht, Überwachern zu entgehen, immer darauf bedacht, das Gelände zu erkunden.
    Was ihn auf einem Einsatz wie diesem mit Schrecken erfüllte, war die Möglichkeit, dass man den Agenten irgendwie geschnappt und umgedreht hatte. Dass er gefoltert worden war und gestanden hatte, dass an ebendiesem Tag, an dieser Stelle, der Agent eines ausländischen Nachrichtendienstes Informationen abholte, die in einem ausgehöhlten Baumstamm

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