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Operation Beirut

Operation Beirut

Titel: Operation Beirut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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Rogers das Ding im ersten Augenblick gar nicht gesehen. Es sah aus wie ein Stück Fleisch, roh und rot. Er bückte sich und schaute es sich genauer an; dann schwappte eine Welle von Übelkeit in ihm hoch.
    Es war die Zunge des Jungen. Man hatte sie ihm als Warnung aus dem Mund herausgeschnitten.
     
    Der Bombenkrieg begann einige Monate später, als eine Reihe von Explosionen Beirut erschütterte. Die Bandbreite der Ziele, die sich die Bombenleger ausgesucht hatten, war groß: von einer Apotheke, die einem Führer der rechtsgerichteten Phalangistenpartei gehörte, bis zu den Büros einer linken, proirakischen Zeitung.
    Was die Libanesen vor allem mit Schrecken erfüllte, war, dass die Anschläge so wahllos und anonym waren. Die Palästinenser schienen die wahrscheinlichsten Täter, da sie ein Interesse daran hatten, den Libanon zu destabilisieren. Aber es gab auch andere Theorien. Einige beschuldigten die Jordanier, die den Libanon zwingen wollten, gegen die Fedajin ebenso hart vorzugehen, wie es der König getan hatte. Andere beschuldigten die Israelis, da auch sie den Libanon zu einer härteren Gangart gegenüber den Palästinensern drängten. Aber die unheimliche Tatsache blieb bestehen, dass niemand mit Sicherheit sagen konnte, wer es getan hatte, und dass keiner je zur Rechenschaft gezogen wurde. Die Bombenattentate schufen im ganzen Libanon ein Klima der Instabilität und sorgten für das Gefühl, dass da irgendwo im Dunkel etwas Schreckliches vor sich ging.

Kapitel 30 Damaskus; Juni 1971
    Yakov Levis letzte Mission sollte ihn nach Syrien bringen. Sein Befehl lautete, vier tote Briefkästen zu bedienen: einen in Aleppo, einen in einem abgelegenen Dorf südlich von Homs, zwei in Damaskus. Es war dies der Auftrag, vor dem den Mitgliedern der Beiruter Mossad-Station am meisten graute. Levi hatte gehofft – ja darum gebetet –, dass seine Zeit in Beirut um sein würde, bevor die Reihe wieder an ihm wäre. Aber er hatte kein Glück.
    Avidor, der Stationschef, spendierte Levi am Abend bevor er nach Syrien abreiste, ein Essen. Sie fuhren in zwei Autos nach Chtaura, das auf halbem Weg zur Grenze liegt, und aßen dort in einem libanesischen Restaurant. Auf diese Weise hielt der Chef Levi so lange wie möglich das Händchen, bevor er ihn ziehen ließ. Während des Essens unterhielten sie sich auf Französisch. Avidor lachte und scherzte über das Leben, das Levi in einigen Monaten daheim in Israel führen würde. Die Mädchen am Strand. Das laute Gerede und das Gelächter in den Straßen. Alles, was es sonst noch dort zu sehen und zu hören gab; und dann noch die Kameradschaft jener anderen Organisation, die der Chef nicht beim Namen nannte.
    Die Organisation hatte Levi das Blau des Himmels versprochen. Wenn er nach Tel Aviv zurückkehrte, würde er Leiter einer Abteilung in der Sektion
Tzomet
 – «Nahtstelle» – werden, die sich mit dem Sammeln und der Analyse von Nachrichtenmaterial befasste. Sein Spezialgebiet wäre die Analyse von Informationen über die palästinensischen Guerillagruppen. Obendrein winkte ihm eine nette Gehaltserhöhung und eine Anzahlung auf eine neue Wohnung in Herzliya. Wie hörte sich das an? Machte das nicht alles ein wenig erträglicher? Aber was sie ihm im Grunde sagten, war nichts anderes als: Bleib dran! Reiß dich noch ein paar Monate zusammen, dann kannst du deine Magentabletten für immer in der Schublade verschwinden lassen. Wir versprechen dir, dich wieder nach Hause zu bringen.
    In dem Restaurant in Chtaura stocherte Levi im Essen herum. Er schob das Humus mit einem Stück Pita auf seinem Teller hin und her. Er schnitt sein Kibbeh in immer kleinere Stückchen, aß aber nur die Piniennüsse und die Gewürzlammfüllung. Er sah fürchterlich aus. Müde, mit den Nerven herunter. Und dabei hatte er seinen Einsatz noch nicht einmal angetreten.
    Nach dem Essen umarmte der Stationschef Levi.
    «Ich sehe Sie in einer Woche», sagte er.
    «Insha’Allah», sagte Levi; und es war nicht einmal wirklich als Scherz gedacht. So Gott will!
    Der Chef fuhr nach Beirut zurück. Levi ging auf sein Zimmer in einem kleinen Touristenhotel in Chtaura und fiel in einen unruhigen Schlaf. In der Morgendämmerung weckte ihn der Lärm zweier Taxifahrer, die sich um eine Fuhre stritten. Die beiden brüllten einander derart lautstark und aufgebracht an, dass Levi, während er sich rasierte, befürchtete, einer von ihnen könnte zu schießen anfangen. Ein Polizist kam dazu, und der Kampf endete. Levi

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