Operation Beirut
hinterlegt worden waren. Dass in genau dem Augenblick, in dem Levi seine Hand in den Stamm steckte, um sein Paket herauszunehmen, ein Dutzend Sicherheitsbeamter aus ihren Verstecken kam, um ihn zu verhaften und ins Gefängnis zu stecken, wo sie ihn foltern und ihm jeden seiner Knochen einzeln brechen würden, bis er gestand, ein israelischer Jude zu sein.
Levi tastete in seiner Tasche nach dem winzigen Metallbehälter mit der Giftpille. Er nahm ihn in die Hand, als er sich dem Briefkasten näherte. Er zweifelte keinen Augenblick daran, dass er sie schlucken würde, wenn man ihn erwischte. Das gehörte dazu, wenn man ein Feigling war. Den schnellen und sicheren Tod der qualvollen Unsicherheit der Folter vorzuziehen.
Levi griff nach dem Paket. Er schloss die Augen. Überall Totenstille. Er sah sich um. Nichts. Nur leerer Raum. Zwei erledigt.
Levi näherte sich dem Zentrum von Damaskus, als er die Verkehrsampeln bemerkte; groß und leuchtend an jeder Straßenecke. Das allein war schon bemerkenswert für die arabische Welt. Das eigentliche Wunder jedoch bestand darin, dass die Damaszener Kraftfahrer auch vor den Ampeln hielten, die Kreuzungen freigaben und in den Kreisverkehren dem hereinkommenden Verkehr die Vorfahrt ließen. Vielleicht hatten sie zu viel Angst, sich nicht an die Verkehrsregeln zu halten.
Dies war ein Land, so hatte man Levi gesagt, in dem einer von zehn Bürgern ein Spitzel der Geheimpolizei war. Es war eine Nation, in der die herrschende Baath-Partei zu Wahlzeiten die Massen mit einer riesigen Neonanzeige instruierte, die auf einem der Berge über Damaskus aufgebaut war. Das Leuchtzeichen bestand aus nur einem Wort – «Nam» –, dem arabischen Wort für «ja». Es war eine Gesellschaft, die hinter Mauern lebte und ihren Reichtum vor den Augen der Öffentlichkeit versteckte. Die schmuckloseste Damaszener Stuck- oder Zementfassade konnte einen mit Gold und Silber ausgelegten Palast verstecken. Syrien lebte nach dem Gebot der
taqiyya
– der zulässigen Lüge. Seine moslemische Bevölkerung wurde von den Alawiten beherrscht, einer Sekte, die den Propheten Mohammed nicht anerkannte. Seine sich nach außen hin sozialistisch gebärdenden politischen Köpfe gehörten zu den habgierigsten Kapitalisten des ganzen Nahen Ostens. Genau genommen schienen es die Syrer nur mit einem ehrlich zu meinen: mit ihrem Hass auf Israel.
Levi blieb über Nacht in Damaskus, in einem Hotel im Zentrum, das sich das Neue Omayed nannte und wo vor allem Geschäftsleute abstiegen. Es war sauber und vergleichsweise komfortabel. Er vergewisserte sich, dass die beiden Päckchen sicher in dem falschen Boden seines Aktenkoffers verstaut waren. Der Koffer war raffiniert konstruiert. Jemand, der ihn durchsuchte, müsste ihn zerstören, um den falschen Boden zu entdecken. Und jedes gewaltsame Eindringen in dieses Geheimfach würde eine Phiole mit Säure zerbrechen, die jegliche dort versteckten Dokumente zerstören würde.
Levi war hungrig. Er ging zu Fuß ins Diplomatenviertel und aß in einem exzellenten französischen Restaurant namens Le Chevalier zu Abend. Er gönnte sich Garnelen, in Knoblauchbutter gegrillt. Er trank fast eine ganze Flasche Wein. Er fühlte sich entspannt, was ihn wiederum nervös machte. Auf dem Heimweg spürte er die forschenden Blicke auf sich, dem leicht beschwipsten Ausländer, der da um Mitternacht die Straße hinunterschlenderte.
Den ersten Briefkasten in Damaskus bediente Levi am nächsten Morgen. Er ging zur Landwirtschaftsausstellung auf der Damaszener Handelsmesse. Der Agent, so hatte man ihm gesagt, war ein sunnitischer Professor für Agronomie an der Universität von Damaskus, dessen Vater von den Alawiten getötet worden war. Die Rache, für die er sich entschieden hatte, bestand darin, Dokumente über die syrischen Bemühungen hinsichtlich einer Überwachung des israelischen Fernmeldeverkehrs zu beschaffen.
Levi unterhielt sich zwanglos mit einem der Mitarbeiter des landwirtschaftlichen Ausstellungsstandes. Auf dem Tisch des Standes, genau dort, wo es sein sollte, lag ein Prospekt über neue Techniken der Hühnerhaltung. Er nahm ihn und blätterte darin, bis er einen kleinen Umschlag fand. Als er sich vergewissert hatte, dass niemand hersah, ließ er den Umschlag in seiner Tasche verschwinden. Es war so leicht, so einfach.
Die letzte Übernahme war für den nächsten Morgen angesetzt. Levi verbrachte den Rest des Tages damit, sich die Stadt anzusehen. Vielleicht würde er es doch
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