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Operation Beirut

Operation Beirut

Titel: Operation Beirut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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Gepäckträger hasteten geschäftig hin und her, riefen einander zu und protzten lauthals, während sie das Gepäck von einem Ende zum anderen wuchteten; in einiger Entfernung – ihr Hupen war laut genug, um Tote aufzuwecken – stand eine lange Schlange Autos und Lkw Stoßstange an Stoßstange auf der Straße, die vom Flughafen in die verzauberte Stadt führte.
    Rogers trug seine zweijährige Tochter Amy vorsichtig auf dem Arm. Sie war im Oman krank geworden und immer noch recht schwach. Rogers machte den unfähigen Arzt dafür verantwortlich. Hier in Beirut, davon war Rogers überzeugt, würde Amy wieder gesund werden. Hinter Rogers kam seine Frau Jane, an der Hand ihren achtjährigen Sohn Mark. Sie war eine strahlende Erscheinung mit pechschwarzem Haar und seidigem Teint; selbst in dem einfachen grauen Rock und der roten Bluse, die sie während des langen Fluges getragen hatte, wirkte sie elegant.
    Die Luft war mild und aromatisch, erfüllt von einem Hauch Olive und Minze. Es war Frühherbst, der Beginn jener langen, herrlichen Jahreszeit vor dem Winter. Rogers hielt seine Tochter fest im Arm, während er sie zu dem rotweißen Middle-East-Airlines-Bus hinübertrug, der sie zum Flughafengebäude bringen sollte. Die anderen Passagiere lächelten, als sie ihre Plätze Rogers’ Frau und den Kindern überließen. Ein Mann bot dem kleinen Mark ein Bonbon an.
    «Wir haben Kinder gerne», sagte der Mann auf Englisch, als spreche er für die gesamte arabische Welt.
    «Schokran», sagte Rogers’ Sohn. Die Passagiere strahlten, als der Kleine das arabische Wort für «danke» benutzte. Wie niedlich. Wie unschuldig.
    Rogers lauschte auf das Raunen der arabischen Stimmen im Bus. Am häufigsten war der libanesische Akzent; aber es gab auch einige Menschen mit palästinensischem und ägyptischem. Die meisten Leute sprachen davon, wie gut es tat, wieder in Beirut zu sein. Beobachter hätten Rogers wohl für einen Collegeprofessor gehalten, der sich mit seiner Familie im Libanon aufhielt, um einige Semester an der Amerikanischen Universität in Beirut zu unterrichten. Oder aber für einen amerikanischen Journalisten, der von einer der großen amerikanischen Zeitungen nach Beirut geschickt worden war. Er war groß und schmal und trug einen abgetragenen Cordsamtanzug. Das dichte, dunkle Haar wirkte ungekämmt, der Kragen seines weißen Hemdes war leicht durchgescheuert, und an einem der Ärmel seines Jacketts fehlte ein Knopf. Er hatte sich eine Lesebrille aufgesetzt, um die Zollformalitäten zu studieren; eine Halbbrille mit Schildpattgestell, die auf der Mitte seines Nasenrückens saß, sodass es den Anschein hatte, als schaute er ständig über die Gläser hinweg. Als Rogers aus dem Busfenster auf die Hügel jenseits des Flughafens starrte, zeigte sich keinerlei Ausdruck auf seinem Gesicht. Der Blick eines Mannes, der in Gedanken, vielleicht sogar in Gedankenlosigkeit verloren war. Der Bus setzte die Passagiere am Hauptgebäude ab. Rogers präsentierte an der Passkontrolle einem libanesischen Polizisten seinen Diplomatenpass. Der Polizist sah ihn an und lächelte das schmale, korrupte Lächeln, das Zollbeamten der ganzen Welt eigen war. Rogers konnte beinahe das Klicken des Verschlusses hören, als irgendwo eine Kamera sein Bild festhielt. Er musterte das Gesicht des Beamten und fragte sich einen Augenblick lang, wie viele verschiedene Nachrichtendienste ihm wohl Geld zahlten.
    Vor dem Terminal winkte Rogers eines der jämmerlichen Taxis heran. Er sagte dem Fahrer in forschem Arabisch, dass er zum Sarkis-Gebäude in Minara wollte, einem Stadtviertel in der Nähe des alten Beiruter Leuchtturmes. Das, so sagte er den Kindern, würde ihr neues Zuhause werden.
    «Wie Sie wünschen», sagte der Fahrer auf Englisch. Er war völlig schockiert, einen Amerikaner – der Mann musste Amerikaner sein, seiner Körpergröße und den Schuhen mit Schnürsenkeln nach zu urteilen – die Landessprache sprechen zu hören.
    Rogers bestach gleich am ersten Tag den Hausmeister mit genau der Summe, die ihm der Verwaltungsbeamte der Amerikanischen Botschaft empfohlen hatte. Der Mann bedankte sich überschwenglich und gewöhnte sich an, Rogers mit dem Ehrentitel
Effendi
anzusprechen. Auch dem Pförtner steckte Rogers ein kleines Bestechungsgeld zu, da dieser für das Glück und die Sicherheit seiner Familie ausgesprochen wichtig war. Er war ein dunkelhäutiger Mann, der vor einigen Jahrzehnten aus Assiut in Oberägypten in den Libanon gekommen und

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