Operation Beirut
Bauern, die zusehen mussten, wie das feudale Herrenhaus niederbrannte.
Die Beirutis nannten ihre Stadt gerne «das Paris des Orients», aber oft erschien es einem eher als das Hongkong Europas. Beirut hatte eine Qualität, die man in der Dritten Welt oft findet. Eine Tendenz zur protzigen Zurschaustellung und zur unfreiwilligen Selbstparodie. Ein libanesischer Gastgeber versorgte seine saudischen Freunde lieber mit zwei üppigen Huren als nur mit einer einzelnen. Der armenische Schneider an der Rue Hamra lernte schnell, dass er mehr Anzüge verkaufte, wenn er seine Preise anhob und jedes Kleidungsstück als «spezielles» Modell anpries, anstatt seine Ware billiger zu verkaufen. In den Maschinen der Middle East Airlines waren die Sitze der ersten Klasse immer ausgebucht, während die Touristenklasse fast leer blieb. Das libanesische Motto schien zu lauten: Etwas, das zu tun wert ist, ist es auch wert, übertrieben zu werden.
Eine Schlagzeile in einer der hiesigen Zeitungen vermittelte einem die Stimmung im Land:
«Mega-Plan enthüllt: Libanon soll Traumland werden.»
Der Plan bestand darin, Autobahnen auf Pfeilern zu bauen, um mit dem Ansturm des Verkehrs in der Stadt fertigzuwerden. Das Ganze würde die schwindelerregende Summe von 350 Millionen Dollar kosten; eine hoffnungslose Summe für eine Nation, die nicht einmal genug Steuern einzutreiben vermochte, um eine Müllabfuhr einzurichten.
Die Libanesen selbst fanden das alles recht amüsant. Außenstehende jedoch verstanden die Zeichen zu lesen, die die meisten Beirutis einfach ignorierten. Der bürokratische Apparat der Regierung war entsetzlich korrupt und die alte Aristokratie so zynisch geworden, dass sie sich radikaler Parolen ebenso bediente wie bewaffneter Schlägerbanden, um sich die politische Macht zu erhalten. Die dadurch motivierten Kräfte drohten, das Regime zu Fall zu bringen.
Die Palästinenser, darin waren sich immerhin alle einig, waren ein Problem. Sie waren das Steinchen im libanesischen Mosaik, das nicht so recht passen wollte. Ihre bewaffneten Leute wurden von Tag zu Tag dreister; in West-Beirut saßen sie in den Cafés an der Rue Hamra und verbargen nicht einmal die Schusswaffen, die ihnen aufdringlich aus dem Hosenbund ihrer viel zu engen Jeans ragten. Es war ein Problem, das niemand so recht zu lösen wusste. Also stimmte man lediglich in den Chor der Schmähungen gegen Israel mit ein, wie fast jedes andere arabische Land auch.
Die palästinensischen Flüchtlinge, jene ungeladenen Gäste im glänzenden, aufsteigenden Libanon, lebten in einer Reihe von Lagern am Rande Beiruts, die man als den «Elendsgürtel» bezeichnete. Die Sabras und die Schatillas, zwei sunnitische Großgrundbesitzerfamilien, hatten nach libanesischer Art eine Methode gefunden, von dem Flüchtlingsstrom zu profitieren. Sie boten den Palästinensern in der Nähe des Beiruter Flughafens ungenutztes Land zum Kauf, auf dem diese sich, je nach Vermögen, Wellblechhütten oder verputzte Häuser bauen konnten. Diese Lager wurden bald allen Flugreisenden zu einem vertrauten Bild: Die Jets der Middle East Airlines kamen in einer Rechtskurve vom Mittelmeer herein, setzten hoch über den Geschäften und Cafés der Rue Hamra zum Landeanflug an, und bevor ihre Räder schließlich im Paris des Orients aufsetzten, tosten sie so dicht über die Elendsquartiere von Sabra und Schatilla hinweg, dass die brüchigen Häuser zu erzittern schienen.
Kapitel 2 Beirut; September 1969
Rogers musste eine Woche warten, bevor er den Stationschef, Frank Hoffman, zu sehen bekam. Dieser hatte sich auf einer Dienstreise in Saudi-Arabien befunden. Rogers war gespannt darauf, seinen neuen Chef kennenzulernen, der den Ruf hatte, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. In einer Organisation, die Diskretion und Anonymität über alles stellte, war das eine seltene Abwechslung.
Hoffmans Sekretärin, eine Frau in den Fünfzigern namens Ann Pugh, blickte Rogers finster an, als er das Büro betrat.
«Sie kommen fünf Minuten zu spät», sagte sie. Miss Pugh ging zu einer schweren Eichentür hinüber und klopfte zweimal. Von der anderen Seite her antwortete ein Knurren. Mit einem elektronischen Summen tat sich die Tür auf und gab den Blick auf Hoffman frei, der hinter seinem Schreibtisch saß.
Hoffman war klein und stämmig, hatte ein fleischiges Gesicht und eine kahle Stelle in der Mitte seines Schädels. Er sah eher wie ein FBI -Agent aus als wie ein CIA -Mann – und redete auch so. «Sie sind also
Weitere Kostenlose Bücher