Operation Beirut
angewidert. «Sie ruinieren die Preise in den Geschäften. Bald werden die Schilder in den Geschäften der Via Condotti nur noch auf Arabisch sein.»
«Und Palästinenser?», fragte Marsh, der sich dachte, er könnte auch gleich einige Informationen sammeln. «Gibt es viele Palästinenser in Rom?»
«Ich weiß nicht», antwortete Frau Armani. «Für mich sehen sie alle gleich aus.»
«Finden Sie sie attraktiv?», fragte Marsh.
«Ach!», sagte Anna Armani. «Ich bin eines jener Dinge in Italien, die arabisches Geld nicht kaufen kann.»
Marsh fühlte sich überaus wohl. Über eine Stunde lang plauderte er mit der Italienerin. Sie schien fasziniert zu sein, und außerdem, so dachte sich Marsh, gehörte sie praktisch zur Familie. Aber trotz ihrer Behandlung mit dem Eisbeutel tat sein Knöchel noch immer weh. Auf dem Rückweg zum Hotel hielt Marsh in einem Laden in der Nähe der Via Veneto und kaufte sich einen handgeschnitzten Spazierstock.
Marsh machte auf andere zuweilen den Eindruck eines Narren, aber das war er keineswegs. Von Natur aus schüchtern, hatte er sich durch einen Willensakt beigebracht, extravertiert und enthusiastisch zu sein. Wie viele unsichere Menschen legte er zuweilen eine gewisse Großmäuligkeit an den Tag. Aber er hing an der Agentur wie nur irgendeiner seiner Kollegen. Er hatte nur einfach einen anderen Stil. Marsh war vorsichtiger und handelte weniger instinktiv als einige seiner Kollegen vom Nachrichtendienst. Er war einer jener Menschen, die glaubten, dass man ein Rennen sachte, aber mit Stetigkeit gewann, und er sah sich selbst als den Igel in einem lebenslang nicht enden wollenden Wettlauf mit dem Hasen. Diese Art, an die Dinge heranzugehen, wandte er auch auf seine Agenten an. Er war verbissen und unkreativ. Kreativität brachte den Menschen den Tod, sagte sich Marsh. Nach den Regeln zu spielen hielt sie am Leben.
Das Anwerben von Agenten war ein Geschäft, in dem «nach Regeln spielen» bedeutete, dass beiden Seiten ihre Verträge völlig klar waren: Verträge, die der aalglatten und betrügerischen Welt der Spionage die Ordnung der legalen Welt aufzwangen. Marsh bevorzugte Beziehungen, die klar und offen waren: Ich kaufe Ihre Dienste für einen vorher vereinbarten Preis; im Austausch dafür sind Sie damit einverstanden, gewisses Material zu liefern; wir profitieren beide von dieser Beziehung. Auf diese Art von Arrangement verstand er sich; und er glaubte daran. Jede Seite wusste sowohl um die Risiken als auch um den Lohn. Es war ein Handel zwischen Erwachsenen. Was Marsh beunruhigte, waren Beziehungen, die komplizierter waren, weil in ihnen subtilere und weniger ordentliche Motivationen vorherrschten. Diese Beziehungen, die auf so hinfälligen menschlichen Emotionen wie Freundschaft, Respekt oder Loyalität basierten, waren die, die gefährlich waren. Und womöglich weniger moralisch.
Anna Armani erstattete am Abend ihrem Mann Bericht über ihre Unterhaltung mit Marsh. Er rieb sich die Augen und zündete sich eine dicke französische Zigarette an.
«Wie lange bleibt er hier?», fragte General Armani.
«Lange genug für ein Treffen. Vielleicht einen Tag.»
Er trifft sich also mit einem Agenten, dachte sich der General.
«Woran dachte er denn so alles?», fragte er seine Frau.
«Lass mich überlegen», sagte Anna. «Er sprach darüber, alles Mögliche zu kaufen. Er sprach über Italien. Er erkundigte sich nach einem Araber, der dort Tennis spielte. Er fragte, ob es in Rom viele Palästinenser gebe. Er fragte mich, ob ich sie attraktiv fände. Er scheint sich für Araber zu interessieren.»
«Er denkt also an Araber», sagte der General.
«Ja, vielleicht. Und an mich. Auch mich hat er im Kopf. Ich denke, er wollte vielleicht mit mir schlafen, war aber zu schüchtern, es mir zu sagen.»
«Ich danke dir, meine Liebe», sagte General Armani. Er gab ihr einen Kuss auf die Wange und einen Klaps auf den Hintern. Er steckte sich eine weitere Zigarette an und ging ans Telefon.
«Der Amerikaner ist in Rom, um sich mit einem arabischen Agenten zu treffen», sagte General Armani in knappem Italienisch zu einem seiner Kollegen. «Wir könnten ihn überwachen lassen, aber was hätten wir davon? Schließlich trifft er sich nicht mit einem Italiener.»
Er legte auf. General Armani hatte seine Pflicht getan und die zuständige Behörde informiert.
Aber in Italien ist niemals etwas derart einfach. Der SID war damals in zwei Lager gespalten. Das eine war proarabisch, das andere
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