Operation Blackmail
browser.exe? Internet-Explorer? Fehlanzeige, die hieà explorer.exe.
Vielleicht Firefox? Aber auch hier fand er einen Namen, der treffender passte.
Jetzt war Mao alarmiert. Konnte es sein, dass diese Solveigh Lang versuchte,
ihn zu hacken? Den Spieà umzudrehen? Diese Schlampe. Aber nicht mit mir.
Schnell überprüfte er, ob sein Ablenkungsmanöver, die Verbindung als
jamaikanisches Netzwerk zu tarnen, noch intakt war. Sein Bollwerk stand,
niemand, nicht einmal Neo, würde seine Münchener Wohnung identifizieren können.
Wollen wir doch mal sehen, wer von uns beiden der Bessere ist. Er startete die
Konsole, jenes kleine unscheinbare Programm, das so nah wie kein anderes mit
den Chips in seinem Computer kommunizierte. Als Erstes beendete er das
auffällige Programm mit dem unscheinbaren Namen »explorer.exe«. Das sollte sie
aufscheuchen. Tatsächlich wurde der Datenstrom nach drauÃen sofort unterbrochen.
Er versuchte es mit einem direkten Gegenangriff und schickte einen Ping an
ihren Rechner. Sie war für ihn erreichbar. So weit, so gut. Mao verschränkte
seine Finger und lieà die Gelenke knacken. Mit ihrem Passwort brachte er auf
seinen Monitor, welche Prozesse auf ihrem PC liefen. Die Liste war lang, aber
interessant waren vor allem zwei kleine Programme, die seinen Argwohn weiter
nährten: »Gatherer.exe« und »Browsesim.exe«. Mao schloss daraus, dass ihn sein
Instinkt nicht getäuscht hatte: sie las die Nachrichten nicht wirklich, sondern
hatte sich eine Software geschrieben, die dies nur vorgab: Browse Simulator.
Und was hatte es mit dem »Gatherer« auf sich? Verflucht. Gatherer hieà auf
Englisch so viel wie »Sammler«. Fuck. Mao wurde hektisch. Er tippe, so schnell
er konnte, um das Spiel zu beenden. Auch dies konnte er über die Konsole erledigen.
Er musste sich beeilen. Was suchte der Gatherer? Nacheinander schoss er alle
Programme ab und widmete sich dann seinem Gegenspieler. Das war sicher nicht
mehr die Agententussi, der Typ auf der anderen Seite war gut. Sehr gut. Er
musste ihm die verräterische »browser.exe« über Maos eigenes Programm geschickt
haben, der einzige Weg, der wie ein Tunnel direkt durch sein Jamaika-Bollwerk
hindurchführte, ohne aufgehalten zu werden. Er checkte seinen eigenen Code und
fand tatsächlich geänderte Zeilen. Sehr elegant geänderte Zeilen. Es war ganz
und gar unmöglich, aber es musste ein Insider sein, einer aus der Szene. Einige
Sekunden pochte er mit dem Zeigefinger auf die Tischplatte. Sollte er?
Natürlich würde er, über Jamaika war er so weit abgeschirmt, dass er ein
kleines Risiko eingehen konnte. In der Konsole tippte er eine Nachricht an den
Hacker auf der anderen Seite der Datenleitung: »Get off, fucker.«
Keine zwei Sekunden später kam die Antwort: »Gotcha, sucker.« Es
musste ein Bluff sein. Mao überprüfte noch einmal die Prozessliste des GroÃen
Vorsitzenden, als ihm schlagartig klar wurde, warum er es zuvor übersehen
hatte. Ein kleines Programm hatte den Namen lm.ini. LM für Leonid Mikanas. Ein
Suchprogramm von dem Freak am anderen Ende der Leitung. Fuck. Der Typ hatte ihn
verladen. Mao sprang auf, lief zur Rückseite des Schreibtisches und riss das
Netzwerkkabel aus der Verankerung.
KAPITEL 48
Amsterdam, VU University Medical Center
Tag 11: Donnerstag, 17. Januar, 02:21 Uhr
Dominique lag in seinem Krankenbett und starrte an die Decke.
Obwohl es spät nachts war, konnte er nicht schlafen. Wie seit drei Tagen. Er
fühlte sich schon deutlich erholt, auch wenn die Krankengymnastik an seinen
Nerven zerrte, denn bei seinen Beinen wollte sich kein Fortschritt einstellen.
Er spürte sie zwar wieder, und der Doc hatte nicht zu viel versprochen, sie
taten verdammt weh. Aber es gelang ihm nicht, ihnen auch nur die kleinste
Bewegung abzuringen, egal, wie sehr er sich abmühte. Das Schlimmste jedoch war
die Langeweile. Abgestöpselt von den Geräten, konnte er zwar im Rollstuhl
bisweilen eine kleine Spazierfahrt unternehmen, aber im GroÃen und Ganzen
beschränkte sich sein Tag auf ImBett-Liegen, Krankengymnastik und wieder
Im-Bett-Liegen. Die Flecken an der Decke zählen, die dämlichen Talkshows auf
Holländisch anschauen, die er nicht verstand. Die einzige Abwechslung
verschaffte ihm sein Laptop, auf dem er den Fortschritt der Ermittlungen verfolgen
konnte. Wieder und wieder ging er den Fall durch. Und je länger er
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