Operation Blackmail
und
nahm die Verfolgung auf. Zunächst ging es durch das Bankenviertel, dann hinaus
über den Autobahnzubringer nach Westen, Richtung Wiesbaden. Paul hielt
ausreichend Abstand, damit Gessner keinen Verdacht schöpfte. Es hatte jedoch
nicht den Anschein, als würde sein Ziel vermuten, dass er verfolgt wurde. Mit
mäÃiger Geschwindigkeit durchkurvte er die Autobahnausfahrt zur BundesstraÃe 8,
die auf diesem Teilstück zu einer zweispurigen Autobahn ausgebaut war. Gessner
gab Gas. Paul beschleunigte bis auf 180 Kilometer pro Stunde, um mithalten zu
können. Er schwitzte. Irgendwo hatte er einmal gelesen, dass Jugendliche hier
nachts bisweilen illegale Autorennen veranstalteten, denn die StraÃe war um
diese Uhrzeit kaum befahren. Die Rücklichter von Gessners Wagen entfernten sich
immer weiter. Trotz des Nieselregens und einer Temperatur unter dem
Gefrierpunkt biss Paul die Zähne zusammen und trat das Pedal noch tiefer durch.
Der Motor kreischte, bei 220 Kilometern pro Stunde näherte sich sein Wagen der
Leistungsgrenze. Wie ein wild gewordener Hund mit hechelnder Zunge versuchte
seine Familienkutsche, an dem Sportwagen dranzubleiben.
Glücklicherweise nahm Gessner die nächste Ausfahrt, in einem für
Pauls Geschmack halsbrecherischen Tempo. In letzter Sekunde stieg er in die
Eisen. Verbrecher oder nicht, hier ging es um sein Leben. Vielleicht holte er
ihn an der nächsten Kreuzung ein. Als er die kurvige Ausfahrt hinter sich
gelassen hatte, sah er ihn wieder, etwa 150 Meter vor ihm. Er passierte gerade
eine Kreuzung. Paul trat aufs Gas. Die Ampel schaltete auf Gelb, er
beschleunigte weiter. Sechzig Sachen, dann achtzig. Der Lkw von rechts kam wie
aus dem Nichts. Paul trat mit aller Kraft auf die Bremse, und seine Augen waren
schreckgeweitet, als sein Wagen schlitternd zum Stehen kam. Es war eine Sache
von wenigen Zentimetern. »Verdammt!«, schrie er und hieb frustriert mit dem
Handballen auf das Lenkrad. Weit und breit nichts unterwegs, und er traf auf den
einen Schwertransporter. Er kramte nach seinem Handy, um die ECSB zu
informieren. Dieser Rollstuhlfahrer, Eddy Rames, meldete sich.
»Eddy, hier ist Paul Vanderlist. Ich habe Gessner verloren.«
»Hat er Verdacht geschöpft?«
»Ich glaube eigentlich nicht.«
»Wo sind Sie?«, fragte der Mann aus Amsterdam. Was interessiert den,
wo ich bin?, fragte sich Paul, aber er antwortete wahrheitsgetreu: »An der B8,
Abfahrt Bad Soden.«
Er hörte im Hintergrund Tastaturgeklapper. Es dauerte einige
Sekunden, bis sich Eddy wieder meldete: »Ich glaube, wir haben Glück. Gessner
besitzt eine Eigentumswohnung in Ihrer Nähe. Wahrscheinlich war er einfach auf
dem Weg nach Hause. Ich lotse Sie hin.«
Die Ampel hatte längst wieder auf Grün gewechselt, aber es stand
niemand hinter ihm, der sich hätte beschweren können. Weil überhaupt kein
Schwein nachts um drei in so einer Gegend unterwegs ist, dachte Paul und fuhr
an. Mithilfe von Eddys präzisen Anweisungen erreichte er Philipp Gessners
Wohnung wenige Minuten später. Und tatsächlich stand sein Cabriolet vor dem
Haus, er musste gerade hineingegangen sein. Paul sah Licht in allen drei Räumen
der Wohnung. Paul bedankte sich bei Eddy und versprach, beim nächsten Mal noch
schneller zu fahren.
Eine halbe Stunde später, Gessners Wohnung war immer noch
beleuchtet wie ein Weihnachtsbaum, klingelte sein Handy. Es war der Leiter
ihrer IT-Abteilung: »Es tut mir leid, Herr Vanderlist, aber ich habe schlechte
Nachrichten.«
»Was ist passiert?«
»Das Geld ist weg«, vermeldete der Mann trocken.
»Was meinen Sie damit, das Geld ist weg? Sie haben Heinkel doch
versichert, dass es absolut unmöglich sei in der heutigen Zeit, Geld, das
elektronisch überwiesen wurde, einfach verschwinden zu lassen â¦Â«, schnauzte
ihn Paul an. Der Mann hatte eindeutig seinen Job verfehlt.
»Ich weiÃ, was ich gesagt habe, Herr Vanderlist. Aber er hat es
trotzdem irgendwie geschafft. Erst hat er Mikroüberweisungen vorgenommen. Er
hat die ganzen 500000000 Euro in Tranchen zu jeweils 25 Euro aufgeteilt, dann
teilweise wieder zusammengeführt. Ist Ihnen bewusst, um wie viele Ãberweisungen
es sich dabei handelt, Herr Vanderlist?«
Paul seufzte: »Ich habe keine Ahnung.«
»Das sind zwanzig Millionen Ãberweisungen. Zwanzig Millionen!«
»Aber das ergibt doch überhaupt keinen Sinn. Alleine die
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