Operation Blackmail
128-bit-verschlüsselt, erinnerte er sich.
Seitdem war er noch begieriger darauf, ihren Computer unter seine Kontrolle zu
bringen.
An dem Ticketautomaten für die U-Bahn, die ihn in die Stadt bringen
würde, kramte er fluchend in seinen Hosentaschen das letzte Geld zusammen.
Wieder einmal war er froh, dass sich die EU zur Einführung des Euros entschlossen
hatte, so entfiel wenigstens die nervtötende Geldwechselei. Der Automat stellte
sich als heillose Fehlkonstruktion heraus. Die Menüführung mag ja einem
altgriechischen Philosophen einleuchtend gewesen sein, fluchte er innerlich,
aber schlieÃlich gelang es ihm doch noch, dem Kasten ein Retourticket in die
Stadt abzuringen. Mao schlitterte die Stufen zum Bahnsteig hinunter und wäre
beinahe gestürzt, erwischte aber im letzten Moment die U-Bahn Richtung
Stadtmitte. Stehend kramte er die Karten, die er in einem Pariser Copyshop
hatte ausdrucken lassen, aus der Tasche. Er musste in der unmittelbaren
Umgebung ein Versteck für Leonids nächstes Päckchen finden. Zwar hatten sie
vorab besprochen, dass der dritte Mord in Griechenland stattfinden würde, aber
sein Partner kannte weder Ort noch Zielperson. Deshalb hatte er den Umweg über
Athen in Kauf genommen, obwohl er darauf brannte, endlich in München die
Früchte seines riskanten Einsatzes in Paris zu ernten.
Zunächst studierte er die Lage der originären Geo-Caches in der Nähe
des Flughafens: Auf einer Karte waren alle aktiven Koordinaten verzeichnet,
denn nichts wäre riskanter, als seine Nachricht an Leonid in der Nähe eines
echten Verstecks zu deponieren. Am Ende sammelte noch irgendein Pseudodetektiv
zufällig Leonids Päckchen ein, und sie konnten von vorne anfangen. Er entschied
sich aufgrund des Verzeichnisses, an der Station Pallini auszusteigen. Dort lag
kein einziger aktiver Cache, und es schien gröÃere Grünflächen zu geben, die
sich besser eignen würden als ein urbanes Umfeld.
Die unterirdische Station war modern, und der Boden bestand aus
Marmor. Was für eine Verschwendung. Zu dieser Tageszeit waren wenige Pendler
unterwegs, nur einige Schulkinder stürmten lärmend an Mao vorbei hinaus in die
Sonne. Jetzt, da er eine Gegend ausgewählt hatte, verspürte Mao keine Eile
mehr, im Gegenteil. Als er die Rolltreppe hinauf ins Freie fuhr, musterte er
seine Umgebung genau, suchte eine Nische, in der er das Paket für Leonid
unauffällig verschwinden lassen konnte. Das erste Mal Athener Luft schnuppernd,
war er vor allem von der Temperatur überrascht, es musste glatt um die zwanzig
Grad warm sein. Zwar hatte er von dem Alkyoniden genannten Wetterphänomen
gehört, aber so mild hatte er sich keinen Januar vorstellen können. Ihm kam das
schöne Wetter zupass, für seinen Stadtspaziergang war das angenehmer als kalter
Nieselregen. Während er die langweiligen StraÃen hinunterlief und nach einem
Versteck Ausschau hielt, begutachtete er das örtliche Treiben. Ein
heruntergekommener Plattenladen, der tatsächlich noch Vinyl verkaufte, dann und
wann ein Supermarkt, ansonsten braune, wenn auch mediterran angehauchte
Tristesse. Langsame und stinklangweilige Vorstadt eben. Die marmorne
U-Bahn-Station kam ihm vor wie der sinnlose Versuch einer
Stadtplanungskommission, das Viertel aufzuwerten, ihm neues Leben einzuhauchen.
Genauso unsinnig wie eine Vitaminspritze bei einem Patienten, der längst
verstorben war.
In einer kleinen Bäckerei, die im Gegensatz zu den anderen
Geschäften durchaus vielversprechend aussah, kaufte er eine griechische
SüÃspeise namens Loukoumades, eine Art Berliner mit Zimt und Honig, und eine Cola
zum Runterspülen. Ihm schmeckten die Teigbällchen phantastisch, aber langsam
musste er vorankommen, er brauchte endlich ein geeignetes Versteck. Nicht zu
auffällig und trotzdem so zugänglich, dass Leonid es schnell finden konnte.
Nachdem er eine weitere halbe Stunde durch immergleiche StraÃen geschlendert
war, bemerkte er ein leer stehendes Ladenlokal auf der gegenüberliegenden
StraÃenseite. Könnte das etwas sein? Die Farbe blätterte vom Putz, und die
Scheiben waren so dreckig, als seien sie jahrelang nicht geputzt worden.
Angestrengt versuchte er, durch die schmierigen Fenster einen Blick
hineinzuwerfen. Der Laden war offensichtlich ein Café oder eine Kneipe gewesen,
im Inneren stapelten sich Stühle, und ein paar Tische verstaubten um die
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