Operation Blackmail
Pulli und der Jeans und warf
beides in den Papierkorb. In ihrer Unterwäsche sank sie aufs Bett und kramte
das Handy aus ihrer Handtasche. Gab es etwas Neues von Marcel? Bitte, Marcel,
ich bräuchte jetzt dringend eine Nachricht von dir, seufzte sie. Aber auf dem Bildschirm
ihres Telefons war kein Briefsymbol zu erkennen; also keine SMS. Weder von
Marcel noch von sonst wem. Frustriert fiel sie auf den Rücken und lieà ihren
selbstzerstörerischen Gedanken freien Lauf. Sie kreisten mit schätzungsweise
1,4 Promille um Dominique, Thanatos, die Erpresser und um Marcel. Wie ein
Sonnensystem â mit Dominiques Schicksal als Zentrum des Universums. Wieder und
wieder umkreiste sie auf niedriger Umlaufbahn diesen Mittelpunkt, das Herzstück
ihres Versagens: Wie hatte ihr das nur passieren können? Sie hatte sich
geschworen, niemals im Einsatz die Tabletten zu vergessen. Niemals. Und das bei
ihrer ersten Verfolgungsjagd mit einem blutigen Anfänger. Dominique mochte noch
so talentiert sein, noch so gute Anlagen mitbringen, wie es ihr Superpsychologe
von der ECSB vor seiner Anwerbung prophezeit hatte. Aber er blieb der
Ex-Adjutant des Pariser Polizeipräsidenten. Sie hatte drei Jahre Ausbildung bei
den besten Einheiten der Welt hinter sich. Ja, Eddys erste Bewertung hatte zwar
ergeben, dass sie auch mit dem ursprünglich geplanten Einkreisen von zwei
Seiten Dominiques Entführung nicht hätten verhindern können. Aber Eddy wusste
ja auch nicht, dass sie fucking reglos auf einem Stuhl gehangen hatte, unfähig,
einen einzigen klaren Gedanken zu fassen. Und Thanatos war zwar nicht ihr
Erpresser, aber ganz sicher einer der gefährlichsten Männer Europas. Ohne
Skrupel, ohne jede Scheu, ein Menschenleben zu beenden. Wie Olof Palme und
zwanzig weitere. Oh mein Gott, Dominique. Was habe ich nur getan? Selbst Thater
hatte sich ungewohnt wortkarg gezeigt bei ihrer heutigen Abschlussbesprechung.
Er hatte alles in Bewegung gesetzt, was in seiner Macht stand: Jeder Polizist
in Athen hatte ein Foto von Thanatos und von Dominique. Aber es musste doch
noch etwas geben, was sie tun konnte. Um ihren Fehler und die Lügen wenigstens
im Ansatz wiedergutzumachen. Verantwortung übernehmen, das könntest du zum
Beispiel, Solveigh. Aber wie? Im Sonnensystem ihrer alkoholgeschwängerten Gedanken
war ein neuer Planet aufgetaucht, ein Plan. Bevor du auch nur darüber
nachdenkst, musst du erst einmal wieder nüchtern werden, entschied sie.
Im Bad beugte sie sich über das Waschbecken und steckte sich den
Finger in den Hals. Nach einigen erfolglosen Versuchen würgte sie die letzten Reste
der Alkoholika heraus, die sie noch im Magen hatte. Es roch säuerlich, nach
Whiskey und nach Erdnüssen. Ein weiterer heftiger Würgereiz, den sie kaum unter
Kontrolle bekam. Sie ekelte sich vor sich selbst, und das, obwohl der Alkohol
ihren Geruchssinn vernebelte. Sie musste etwas essen, dringend. Aus der
Hotelbar besorgte sie sich jeden verfügbaren Snack: eine Tüte Salzgebäck und
zwei Schokoriegel, die sie hastig hinunterschlang. Danach begab sie sich in die
Dusche und begann, ihren Körper an den GliedmaÃen kalt abzuduschen. Als sie
einigermaÃen sicher war, keinen Herzinfarkt zu erleiden, stellte sie sich
komplett unter den Strahl und lieà das eiskalte Wasser einige Minuten sein
belebendes Wunder verrichten. Immer wieder füllte sie ihre Hände und trank, bis
sie nichts mehr herunterbekam.
Danach fühlte sie sich frischer. Ihr Plan war ein beinahe
aussichtsloser Strohhalm, an den sie sich dennoch entschlossen klammerte. Es
war ihre einzige Verbindung zu Dominique und Thanatos. Sie würde in das Lokal
zurückkehren. Wer weiÃ, vielleicht tauchte er noch einmal dort auf? Es kam ihr
selbst unwahrscheinlich vor, aber es war immerhin besser, als hier zu liegen
und Trübsal zu blasen. An Schlaf war ohnehin nicht zu denken. Sie packte ihre
Umhängetasche für alle Eventualitäten, man konnte ja nie wissen: Pistole,
Nachtsichtgerät, schusssichere Weste, das ganze ECSB-Programm â und ihre
Tabletten. Schwer bepackt verlieà sie ihr Zimmer, zumindest mit einem Funken
Hoffnung im Gepäck. Dominique, wir lassen dich nicht im Stich. Nicht Solveigh
Lang.
Statt mit einem Fahrer fuhr sie diesmal mit einem
ordinären Taxi zu dem Lokal, das aus allen Nähten platzte. Ãberall saÃen
vornehmlich junge Griechen, laute Musik drang dumpf nach
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