Operation Blackmail
drauÃen.
Offensichtlich hatte der Besitzer erkannt, dass er abends mit einem Partylokal
besser verdienen konnte. Energisch drückte sie sich durch die Menschenmassen
bis an die Bar, was ihr von einigen weiblichen Gästen böse Blicke einbrachte,
aber es gab nichts, was sie unter diesen Umständen weniger stören konnte. Sie
brauchte eine ganze Weile, um die Aufmerksamkeit des Barmanns zu erhaschen, und
bestellte eine Cola. Was wollte sie eigentlich hier? Sie suchte nach Thanatos,
oder dem Besitzer, oder irgendjemand sonst, der sich an den Auftritt von Frau
von Humboldt und ihre Verbindung zu Thanatos erinnern konnte. Im hintersten Eck
drückte sie sich hinter einen dicken Griechen, der zweimal Anstalten machte,
sie zu begrapschen. Es war nicht einfach, ihn wieder loszuwerden, er sprach nur
gebrochen Englisch. Mit Händen und FüÃen versuchte sie, ihm deutlich zu machen,
dass sie ja gern mit ihm flirten würde, aber ihr Freund käme gleich, und der
verstünde keinen SpaÃ: »Heâs tall.« Verbunden mit einer entsprechenden Geste.
Nach einem »Big like this« hatte er endlich verstanden und lieà von ihr ab. Es
dauerte eine halbe Stunde, bis sie sich einen Barhocker erkämpft hatte und
dadurch einigermaÃen in Ruhe ihre Umgebung beobachten konnte. Aus der Küche
wurden immer noch dampfende Teller getragen. Erstaunlich, dass sie bei dem
Chaos den Ãberblick behalten. Als einer der Kellner ein schwankendes Tablett
mit dreckigen Gläsern zurück in die Küche brachte, meinte sie ein Augenpaar
wahrzunehmen, das sie aus dem Verschlag beobachtete. Wenige Minuten später
bestätigte sich ihr Verdacht. Ein älterer Mann mit grauem Haar und sehr dicht
zusammengewachsenen Augenbrauen kam auf sie zu. Wahrscheinlich der Besitzer,
vermutete Solveigh.
»Waren Sie nicht heute Mittag schon einmal hier?«, erkundigte sich
der Alte.
»Ja, ich war heute schon einmal hier«, entgegnete sie. »Mit einem
Freund, kennen Sie ihn?«
»Ich weià gar nichts von Ihrem Freund, aber ich habe eine Nachricht
für Sie. Schon seit zwei Stunden. Warten Sie mal, ja, hier ist sie«, verkündete
er, als liefere er das erste Telegramm der Weltgeschichte aus, und schob ihr
einen verknitterten Zettel zu. Es stand nur eine Adresse drauf:
214 ÎιαοÏλη, ΠειÏαιάÏ
Solveigh konnte es nicht fassen: Die Nachricht war zwei
Stunden alt. Sie knallte einen Zwanzig-Euro-Schein auf den Tresen und kämpfte sich
so schnell es ging durch die Menge bis nach drauÃen. Parallel rief sie bei Eddy
an, der wahrscheinlich wie immer in der ECSB-Zentrale übernachtete. Er
antwortete mit einem Grunzen, doch sie lieà sich nicht beirren: »Eddy, hier ist
Solveigh. Wach auf! ⦠Wach auf, Eddy, es gibt was zu tun.«
SchlieÃlich berappelte sich Eddy am anderen Ende der Leitung:
»Solveigh, was ist los? Es ist mitten in der Nacht.«
»Bitte, es ist wichtig. Ich habe eine Adresse, allerdings auf
Griechisch. Bitte finde raus, wo das ist.« Sie erzählte ihm die ganze
Geschichte, ihr Absturz, die Bar, der Zettel. Er reagierte ungewohnt wirsch:
»Sag mal, Solveigh, wie viel hast du getrunken? Ich meine, das ist doch mehr
als absurd. Der Täter soll uns seine Adresse liefern?«
Während sie in ein Taxi stieg, antwortete sie ihm: »Ja, Eddy, ich
habe getrunken. Aber ich bin wieder nüchtern. Und jetzt setz mal deine grauen
Zellen in Gang. Es ist doch gar nicht der Täter. Thanatos, meine ich. Wenn er
ein Auftragsmörder ist â und nehmen wir mal an, Dominique hat gesungen â
vielleicht will er dann nicht unbedingt noch einen Mord auf seinem Konto
verbuchen müssen, für den er nicht mal bezahlt wird. Ist doch eine Möglichkeit,
oder nicht?«
»So gesehen. Also gut: Was willst du?«
»Erst mal musst du dieses kryptische Zeug für mich entschlüsseln,
ich brauche eine sinnvolle Adresse«, bemerkte sie und schickte ihm ein Bild von
dem Zettel.
»Nichts leichter als das. Google Maps wirdâs richten. Warte, ja.
Hier ist es. Es ist in Piräus, am Hafen. Die StraÃe heiÃt Miaouli. Marta, Ida,
Anton, Otto, Udo, Ludwig, Ida«, buchstabierte Eddy für sie zum Mitschreiben.
Solveigh reichte dem Fahrer beide Zettel nach vorne in der Hoffnung,
dass er mit einem etwas anfangen konnte. Offensichtlich war das der Fall, denn
er nickte freudig und gab Gas. Piräus ist wohl nicht um
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