Operation Blackmail
die Ecke, vermutete Solveigh.
Eddy bestätigte ihren Verdacht: Sie würde sicher eine halbe Stunde brauchen, um
die angegebene Adresse zu erreichen. Zeit genug, um sich mit Eddy über ihr
taktisches Vorgehen zu besprechen. Ihr Partner alarmierte sicher in diesem
Moment die Athener Behörden, während er Grundrisse zu dem Haus besorgte.
Vielleicht zahlte sich Dominiques Einsatz, schon gestern den Zugang zum Computernetzwerk
der Griechen zu beantragen, doch noch aus. Solveigh spürte jetzt Tatendrang,
wie ein Wolf auf der Fährte seiner Beute. Keine Spur mehr von Selbstzweifeln,
jetzt galt es, Dominique da rauszuholen. Wenn er nicht tot war.
»Slang, die Polizei braucht noch mindestens eine Viertelstunde«,
riss sie Eddy aus ihren Gedanken, »tut mir leid, sie schaffen es einfach nicht
schneller mit einem Spezialkommando.«
»Ist mir scheiÃegal, wie lange die noch brauchen. Wir sind gleich
da, ich warte keine Minute auf irgendwen.«
»Ich hatte befürchtet, dass du das sagen würdest«, kommentierte Eddy
trocken. »Also gut, es handelt sich um ein Lagerhaus am Hafen. 1400
Quadratmeter, laut dem Vermieter weitgehend ungenutzt. Aber er hat irgendetwas
von einem Vormieter geschwafelt, der viel Müll liegen gelassen hat.«
»Mit anderen Worten: Wir haben keine Ahnung, was uns erwartet. Okay,
kannst du einen Bauplan auftreiben?«
»Denke schon. Du bist gleich da, steig jetzt aus, sonst wird es zu
auffällig«, wies Eddy sie an.
Solveigh bedeutete dem Taxifahrer, sie an der nächsten StraÃenecke
abzusetzen, und gab ihm ein überdimensionales Trinkgeld. Der Fahrer bedankte
sich überschwänglich und brauste davon. Erst als er um die nächste Ecke gebogen
war, legte sie ihre Schutzweste an. Mit einem Mal war ihr Körper fünf Kilo
schwerer, und das waren noch die besten, die man für Geld und gute Beziehungen
kaufen konnte. Zur Hölle mit den Vorschriften, dachte sie und schmiss die Weste
ins Gebüsch. Sie überprüfte ihre Pistole und setzte die Brille auf, damit Eddy
den Videofeed empfangen konnte: »Es geht los.«
»Nimm den Eingang auf der rechten Seite, da haben wir drinnen den
besten Ãberblick. Nein, nicht das Frachttor, die kleine Tür rechts daneben«,
dirigierte sie Eddy aus Amsterdam.
Solveigh hatte vorsorglich dunkle Kleidung angezogen. In ihrer
schwarzen Jeans und dem dunklen Blazer verschmolz sie mit der nächtlichen
HafenstraÃe, als sie sich dem Gebäude näherte, das dunkel und verlassen
dastand. Vom Containerterminal, dessen Dock einen StraÃenzug weiter östlich
lag, drang entfernt das wuchtige Schlagen von Metall auf Metall zu ihr herüber.
Sie drückte sich eng an die Hauswand und flüsterte Eddy zu: »Wechsle zur
Nachtsicht, hier ist es dunkel wie in einem Pavianarsch.«
Sie packte die Brille beiseite und entnahm der Tasche, die sie über
der linken Schulter trug, das Nachtsichtgerät. Es handelte sich wie bei beinahe
jedem Teil der ECSB-Ausrüstung um ein militärisches Modell, das Thater für ihre
Bedürfnisse hatte anpassen lassen. Bei ihrem handelte es sich um ein besonders
kleines und leichtes Modell der Generation 4, das dennoch den unglaublichen
Wert einer 60000fachen Restlichtverstärkung bot. Als sie das Gerät auf den Kopf
setzte, verdeckte es ihre gesamte Augenpartie, sie würde aussehen wie ein
Froschmann. Als sie den seitlich angebrachten Schalter betätigte, flirrte das
Gerät kaum hörbar, und ihr Sichtfeld wurde schlagartig taghell. In einen
grünlichen Schimmer getaucht, blendete sie selbst eine StraÃenlaterne, die
mindestens hundert Meter entfernt stand. Und das, obwohl das Gerät über eine
automatische Regelung verfügte, die Blendeffekte minimierte. Vorsichtig, die
Waffe immer nah am Körper und nach oben gerichtet, damit sie ihr niemand aus
der Hand schlagen konnte, öffnete sie die Tür, die Eddy ihr angegeben hatte.
Während Solveigh durch den schmalen Gang schlich, war sie
froh, dass sie die klobige schusssichere Weste in den StraÃengraben geworfen
hatte. Eigentlich ohnehin Schwachsinn, die Vorsicht. Er würde uns doch nie die
Adresse geben, wenn er noch da wäre. Oder ist das hier wieder eine Falle?
Solveigh schritt so leise wie möglich, aber ohne jedwedes Zögern
durch die angrenzenden Verwaltungsräume. »Erster Raum gesichert«, meldete sie
nach Amsterdam, als sie plötzlich hinter sich ein
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