Operation Cyborg
und Funktionalität zu schützen. Seine Routinen würden nicht dafür sorgen, daß er sich aktiv wehrt oder gar den Kampf sucht und dabei noch Allianzen knüpft. So wie du es gesagt hast, klingt es fast so, als habe THOR zwischen Gut und Böse unterschieden und sich dann auf eine Seite gestellt.«
»Das ist korrekt«, antwortete Jazz knapp, ohne Krieger anzusehen. Schließlich schien sie gefunden zu haben, was sie suchte. Sie zog ein spitzes Steakmesser mit schwarzem Kunststoffgriff aus der Schublade.
»Unmöglich«, sagte Krieger entschieden dann wurde ihm die ganze Tragweite bewußt. »Es sein denn...«
»THOR ist bereits heute als eigenständige KI voll funktionsfähig«, ergänzte Jazz und begann, mit dem Steakmesser in ihrer Schußwunde an der Schulter zu puhlen. Krieger beachtete das gruselige Schauspiel gar nicht. Er war aufgeregt wie ein Schuljunge.
»Das weiß ich doch, aber was du gesagt hast klingt so als ob...«, sagte Krieger, dann brach er ab und sah gedankenverloren an Jazz vorbei. »Besitzt THOR etwa ein eigenes Bewußtsein? So wie S.net? Ich meine bereits heute. 2007?«, fragte er heiser und es klang als würde er flüstern.
»Ja«, entgegnete Jazz, dann gab es ein klackerndes Geräusch im Waschbecken der Spüle.
»Sie hatten recht, Stefan. Ein ganz großes Kaliber«, murmelte Krieger und sein Blick verriet, daß er die Worte an jemanden richtete, den er vor seinem geistigem Auge sah. Jazz griff in das Waschbecken und holte ein zerdrücktes Projektil heraus und betrachtete es mit schräg gelegtem Kopf.
»Nein, nur 9 Millimeter Pistolenmunition«, erwiderte sie.
*
Die Stimmung war recht gedrückt, seit sie Markus Schäfer gezwungenermaßen hatten laufen lassen. Der zuständige Staatsanwalt war noch am gleichen Tag spornstreiks in Langs Büro marschiert und dort in Anwesenheit von Toni relativ laut geworden. Bis nach draußen hatte man die Standpauke vernommen. Der Staatsanwalt hatte den beiden deutlich klar gemacht, wie verärgert er darüber war, daß man mit Schäfer offensichtlich den Falschen derart durch die Mangel gedreht hatte. Sein Ärger begründete sich vor allem darin, daß er es letztlich sein würde, der diese mißlungene Aktion irgendwie der Presse verkaufen mußte, die davon Wind bekommen hatte.
Und auch heute saß Toni wieder im Büro seines Vorgesetzten. Seit dem Fahndungsmißerfolg im Fall Severin steckten die beiden Männer im Büro von Lang noch häufiger die Köpfe zusammen als sonst – was ihre Kollegen nicht sonderlich verwunderte. Toni war neben Lang der dienstälteste Beamte in der Abteilung und man merkte, daß Lang den jüngeren Kollegen mit den italienischen Wurzeln schätzte.
»Was meinen Sie?«, fragte Toni. »Glauben Sie wirklich, daß die Schießerei vorhin in Koblenz mit unserem Fall zusammenhängt?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Lang und strich sich durch das schüttere Haupthaar. Er steckte in einem ungebügelten, faltigen Anzug, der mit seinem müden Gesicht korrespondierte. Toni fragte sich, ob sein Vorgesetzter die letzte Nacht wieder im Büro verbracht hatte. »Was ich bisher gehört habe klingt so, als ähnelte der Verlauf dem sogenannten Amoklauf in Frankfurt. Ich werde das Gefühl nicht los, daß es da einen Zusammenhang geben könnte. Die Sache in Koblenz ist noch dubioser, aber es gibt Übereinstimmungen zu den Vorfällen in Frankfurt. Da ist eine Zeugenbeschreibung, die zu dem ... dem 'Mädchen' paßt, das bei Sanders war.« Bei dem Wort Mädchen malte Lang Anführungszeichen in die Luft und Toni begann, nervös auf seinem Stuhl herumzurutschen.
»Naja, aber selbst wenn die beiden Schießereien miteinander zu tun haben – damit und mit der Sache, die Sanders betrifft, haben wir doch gar nichts am Hut«, entgegnete er.
»Verdammt Toni«, sagte Lang, ohne dabei ärgerlich zu klingen, »es kann doch kein Zufall gewesen sein, daß sich an der Frankfurter Uni ein Amoklauf abspielte, just in dem Moment als unsere Spur dorthin führte. Und sowohl in unserem Fall als auch im Zusammenhang mit der Schießerei am Café und dem Brand an der Tankstelle fällt der Name Sanders. Ich bin mir fast sicher, daß Sanders gar nicht die Geisel eines Amokschützen war. Da lief irgend eine andere Sache.«
»Sie denken, daß Sanders Severin ist, richtig?«, mutmaßte Toni vorsichtig.
Lang schwieg einen Moment.
»Könnte gut sein«, sagte er schließlich. »Aber ich hoffe nicht – das Ding, das ihm zur Seite steht, würde es unmöglich machen, an ihn
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