Operation Genesis (Ein Delta-Team-Thriller) (German Edition)
Raum flirrten, fielen Knight zwei Strahlen auf, in denen Staubkörnchen tanzten. Sein Blick folgte ihnen bis zu ihrer Quelle – zwei Löcher in der Wand gegenüber. Sie waren halb mit kreisrunden Luken geschlossen.
Von jedem hölzernen Lukendeckel lief ein dünnes Seil durch eine Reihe steinerner Ösen zur Decke. Die Leinen, jeweils mit einem daran festgeknoteten Stein beschwert, hingen über dem Eingang herab, in dem Knight stand. Das Gewicht der Steine hielt die Luken einen Spaltbreit geöffnet und ließ dünne Lichtstrahlen hereinfallen … die im kristallinen Zentrum des aus dem Fels gehauenen Raums verstärkt wurden.
Knight betrachtete die Seile mit zusammengekniffenen Augen, dann wanderte sein Blick zurück zum Kristall. Die ganze Apparatur wirkte wie ein primitiver Lichtschalter. »Unmöglich.«
Aber so war es. Knight zog an den Leinen, und, einmal in Bewegung gesetzt, ließ das Gewicht der Steine sie bis zum Boden herabsinken. Die Luken sprangen auf und ließen helles Tageslicht hereinströmen, das von dem Kristall in seine Einzelfarben zerlegt wurde und sich schimmernd über den ganzen Raum legte.
Jetzt konnte man Details erkennen. Das Labyrinth war weit mehr als ein simpler Irrgarten. Seine dreißig Zentimeter dicken Steinwände waren beidseitig mit Somis protochinesischen Schriftzeichen bedeckt. Jedes Symbol nahm einen zehn mal zehn Zentimeter messenden Raum in einem perfekt angelegten Raster ein. Es sah aus wie ein antikes vietnamesisches Kriegerdenkmal, nur dass es nicht in gerader Linie verlief, sondern sich durch den Raum schlängelte. Knight stieg die Treppe hinunter und betrat das Labyrinth.
Er vermutete, dass er mit der Zeit sogar die Bedeutung einiger der Symbole enträtseln könnte. Wenn dies wirklich die Vorläufersprache des Chinesischen war, ließen sich die vier Prozent der chinesischen Sprache, die heute noch bildhaft waren, wahrscheinlich an diesen Wänden wiederfinden. Und dann konnte man weitere Symbole aufgrund dieses Kontextes entschlüsseln. Aber so etwas nahm Jahre in Anspruch. Knight ging auf das Zentrum des Irrgartens zu. Er fühlte sich versucht, zu mogeln und über die Mauern zu klettern, doch er hatte sich den Verlauf des Weges von oben gut eingeprägt. Es dauerte nur ein paar Minuten, bis er das Zentrum mit dem riesigen Kristall erreichte.
Da er den Blick nach oben auf den Kristall gerichtet hielt, übersah er die Gegenstände, die auf dem Boden verstreut lagen, und geriet ins Stolpern. Normalerweise hätte er sich elegant abgerollt und wäre gleich wieder auf die Füße gekommen, aber mit seinem verbundenen Knöchelkippte er um wie ein betrunkenes Eichhörnchen. Er landete mit dem Gesicht voraus, konnte den Aufprall aber wenigstens mit den Händen abfangen. Erschöpfung überkam ihn, während er sich über seine eigene Ungeschicklichkeit ärgerte. Er schloss die Augen und lauschte seinem eigenen Atem. Er rasselte.
Nein, es war nicht sein Atem. Sondern etwas anderes.
Knight schlug die Augen auf. Die oberste Seite eines Notizbuchs mit roter Spiralheftung flatterte mit jedem seiner Atemzüge. Er setzte sich auf. Das Notizbuch war aufgeschlagen, und jemand hatte einen Stift darauf liegen lassen. Eine dünne Staubschicht bedeckte beides. Die Gegenstände lagen schon lange hier, doch sie gehörten einem Menschen der Gegenwart. Jemand war vor ihm hier gewesen. Jemand kannte diesen Ort. Die entscheidende Frage lautete: Lebte er noch?
Um das Notizbuch herum verteilt lagen lauter Frottagen, Kohleabreibungen von den Wänden des Labyrinths. Der Boden war übersät davon. Knight sah den inzwischen leeren Skizzenblock an einer Wand in der Nähe lehnen. Wer immer hier gewesen war, hatte erkleckliche Zeit auf die Entschlüsselung der Sprache verwendet, aber war ihm sein Vorhaben gelungen?
Knight griff nach dem Notizbuch, schlug die erste Seite auf und war überrascht, die linierten Blätter in Englisch beschrieben zu sehen. Die Handschrift war eine ziemliche Klaue, aber lesbar. Er überflog den ersten Eintrag.
Dr. Anthony Weston
17.6.1995
Der Flug nach Laos – furchtbar. Das Essen – grauenhaft. Das Abenteuer – großartig! Trotz meiner schlechten Unterkunft bin ich ganz aufgeregt, was die bevorstehende Expedition in die annamitischen Kordilleren betrifft. Die Wunder, die in diesem abgelegenen, dunklen und unheimlichen Land nur darauf warten, entdeckt zu werden, sollen die Haltung der wissenschaftlichen Gemeinde (und meiner Ex-Frau) gegenüber der Kryptozoologie verändern.
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