Operation Glueckskeks
zubereitet, hier wird Energie geschmiedet. Und dann ist er da: süß, herb, man will sich sofort unterhalten, den Carabinieri beitreten oder zumindest eine Arschbombe in den Gardasee machen. 450 000 Menschen halten in Stilfes jedes Jahr an; nach Rimini kommen nur rund 300 000. Espresso schlägt Adria, welche Teekanne kann das schon von sich behaupten?
Der erste Schluck: süß, herb, man will sofort eine Arschbombe in den Gardasee machen.
Das heißt nicht, dass es unter Espressotrinkern nicht auch unfassbare Deppen gäbe. Die, die sich große, verchromte Maschinen in die Küche stellen, die aussehen, als würde darin eine Kernschmelze stattfinden. Komplizierte-Espressomaschinen-Besitzer haben in neun von zehn Fällen den dazu
passenden verchromten Toaster, der so groß wie eine Mikrowelle ist - aber nie funktioniert. Der Kaffee aus den entsprechenden Angebermaschinen schmeckt in der Regel mies. Schmeckt er gut, wird er einem durch einen Besserwisser-Monolog des Maschinenbesitzers zerredet, in dem immer die Worte »Arabica-Mischung« und »Tassentemperatur« vorkommen.
Dann lieber gleich den Killer trinken, den bad boy des Espresso, den Caffè de Caffè, ein Rezept meines italienischen Mitbewohners Paolo Colizzi, der mit diesem Gebräu auch aus dem müdesten WG-Gast einen Lachsack machen konnte. Das Rezept: Espresso in einer kleinen Drehmaschine (La Moka, das sind die, die man auf den Herd stellt) kochen, den frischen Kaffee in eine Tasse füllen, die Maschine sauber machen, neues Pulver rein und in den Wassertank (kein Witz) den eben gekochten Espresso tun. Bamm! Frischer Espresso schießt durch frisches Pulver. Der Geist steigt aus der Maschine. Mundwinkel heben sich, Herzen schlagen schneller. Er ist bitter. Er ist stark. Drei davon töten ein Pferd; einer weckt eine ganze Armee. Die Nebel lichten sich. Ich bin wach.
Zug um Zug: Mein Leben auf der Schiene
E s gab eine Zeit, in der niemand auf die Idee gekommen wäre, mit einem Telefon Fotos zu machen. Das war die Zeit, als Piloten und Stewardessen den gleichen Coolness-Faktor hatten wie Astronauten oder Stuntmen. Flugzeuge waren nicht orange oder himmelblau wie chinesisches Kinderspielzeug, sondern weiß und silbrig wie der Anzug von Captain Future. An Bord gab es echtes Essen und keine Alu-Schalen mit einem heißen Deckel, unter dem meist etwas ziemlich Bedauernswertes liegt, das so aussieht, als sei es unter großen Schmerzen gestorben.
Ja, ich weiß - dafür kann man heute einen Flug von Frankfurt nach Barcelona für so einen beknackt-unfassbaren Preis wie sieben Euro buchen. Toll. Dafür gibt es an Bord nix zu essen. Und die Sitze sind für Menschen, die ihre Wirbelsäule einem guten Zweck gespendet haben, und wenn man die Lehne zurückstellt, bricht man seinem Hintermann das Jochbein. Die Maschine fliegt - weil das eben nur sieben Euro kostet - nie von, sagen wir, Berlin nach New York. Sondern von Krepelsdorf bei Berlin nach Creeplesville bei New York. Nach der Landung dauert die angeberhaft »Shuttleservice« genannte Schulbusfahrt von einem windigen Vorstadtflughafen in die Stadt so lang wie der gesamte Flug, und dann merkt man: Man wollte fliegen, weil das mal so was Tolles war wie Geburtstag haben. Jetzt sitzt man in einem Bus und juckelt durch Creeplesville wie Flüchtlinge auf dem Weg in die Abschiebehaft. Seit einer Stunde.
Illu. 17
Ist Ihnen mal aufgefallen, dass für Billigflieger nie TV-Werbung läuft, in der Leute im Flugzeug gezeigt werden? Kein Wunder. Man müsste einen verschwitzten Mob zeigen, der sich auf dem Flug Hamburg-Moskau nach sechs Stunden ohne Nahrung um das letzte Paket Salzbrezeln schlägt, weil es außer Snacks nichts an Bord gibt. In der letzten Reihe haben Passagiere angefangen, eine Packung Hustenbonbons zu rationieren, vor dem Cockpit will jemand ein Feuer machen, um Erfrischungstücher zu grillen. Es herrscht die Atmosphäre wie bei einer Arktis-Expedition, bei der gleich das erste Pony geschlachtet wird. Ich stelle mir vor, wie in so einem Spot eine Stewardess mit Uschi-Glas-Gesicht durch die Reihen geht und die Infos auf der Kotztüte als Lektüre empfiehlt. »Die sind wirrrrklich spannend, aber immer zwei Leute eine Tüte, gell?«
Ja, so ist das. Glamour-Faktor null, Coolness-Faktor null. Und auch wenn ich mich damit ins Trend-Aus begebe, ich gestehe es hier: Ich fahre lieber Bahn. Es gibt ein Restaurant, wo echtes Essen serviert wird, das man nicht zwei Tage vorher bestellen muss. Wenn man Glück hat, ist da ein
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