Operation Glueckskeks
machen. Ich will kochen wie die Maggie-Familie. Ich will Lauchstangen aus der Einkaufstüte gucken lassen, ich will schnibbeln mit Freunden. Pastinaken? Klar doch! Rote Bete, Sojasprossen? Aber hallo! Ich packe mir all die Sachen in den Wagen, die super aussehen, die spitzenmäßig klingen und die nach zwei, drei Stunden in der Küche ein total leckeres Essen ergeben.
Komplizierte Salate, abgewogene Physalis (die Königin der Angeber-Beeren), gefüllte Oliven in der Plastikschale, Büffelmozzarella in der schlauchigen Familiengröße, einen Sack mit Kartoffeln, die so biomäßig dreckverschmiert sind, als wären sie vor zehn Minuten geerntet worden. Mein Motto: Ein Supermarktbesuch, bei dem ich keinen Basilikumtopf, so groß wie ein Ficus benjamina, unterm Arm habe, ist kein Supermarktbesuch.
Meine Begeisterung für die neuen tollen Lebensmittel hält so lange wie der Neujahrsvorsatz, öfter ins Fitnessstudio zu gehen. Nämlich gar nicht. Mir egal. Denn ich stelle mir an der
Supermarktkasse vor, wie die Leute vor und hinter mir in der Schlange neidisch auf meine Einkäufe gucken und den Impuls niederkämpfen, mir auf die Schulter zu klopfen: »Alter, was bist du doch für ein von feiner Lebensart befeuerter Spitzentyp. Du kochst sicher jeden Abend Kartoffelgratin mit Lauch-Physalis-Salat für dich und deine mit Büffelmozzarella und Feigensenf groß gewordenen sieben Kinder, oder?« Abendbrot wie bei den Waltons, alle mit Riesenhunger in der Latzhose, plus Jamie-Oliver-Raffinesse. Im Hintergrund blubbert die selbst gekochte Marmelade. Alles mit links. Alles gelogen.
Denn in Wirklichkeit vergammelt das Zeug in meinem Kühlschrank. Ich bekenne mich schuldig. Zehn Prozent von allem, was in Deutschland an Lebensmitteln gekauft wird, landen im Müll. Und ich bin dabei, den Schnitt nach oben zu treiben. Es gibt ein Fach in meinem Kühlschrank, aus dem ich, glaub ich, noch nie Lebensmittel genommen habe, um sie zu essen - sondern immer nur, um sie wegzuschmeißen. Ich nenne es das Mozzarella-Fach. Einmal die Woche kommt der alte Käse raus und in den Müll (da Mozzarella dank eines kosmischen Gesetzes sowieso immer fünf Tage vor Verfallsdatum verfällt), und ich packe den neuen rein. Der bald ganz der alte ist. Willkommen auf dem sich ewig drehenden Käserad des Lebens! Das Einzige, was wirklich gegessen wird, ist Brot, Käse, Bolognese, Joghurt.
Für Leute wie mich gibt es jetzt ein neues schickes Wort: grazer . Das sind Leute, die sich nicht wie die Kochstudio-Familie
abends die Schürzen umbinden, um dann lustig zu brutzeln, und dann beim Chili-con-Carne-Essen einfach mal einen total crazy Sombrero aufsetzen und mit dem klebrigen Paar von nebenan Salsa-CDs hören. Nein, der grazer futtert den ganzen Tag über, was er in die Finger bekommt - wie eine grasende Kuh. Wie ich. Während Sie diese Zeilen lesen, geht ein halber Bagel gerade den Weg von der Hand in den Mund. Will man dann abends noch Römersalat wässern? Will man nicht.
Und so landen Physalis und Lauchstangen im Müll. Wenn meine Mutter das wüsste. Auch wenn Mama das nicht so gern hört, sie ist Teil der Generation Steckrübe, für deren Jugend folgender Satz galt: Eintopf aus Steckrüben, Marmelade aus Steckrüben, wahrscheinlich das erste Paar Schuhe aus Steckrüben. Und beten, dass der Russe nicht wiederkommt. Essen ist erst vergammelt, wenn es sich bewegt. Wenn man so jemandem sagt, dass man matschige Physalis wegschmeißt, muss man erst erklären, dass Physalis kein Grippemittel ist, und dann aufpassen, dass Mama nicht versucht, dem Müllmann die Tonne aus der Hand zu drehen. Um Steckrüben-Physalis-Marmelade zu kochen.
Es gibt ein Fach in meinem Kühlschrank, aus dem ich noch nie etwas genommen habe, um es zu essen. Sondern nur, um es wegzuschmeißen.
Illu. 19
So, wenn Mama das liest, bin ich im Eimer. Der Ort, wohin gleich der Mozzarella von letzter Woche wandert. Ich muss dringend einkaufen. Beim Gemüse-Türken nebenan gibt es Granatäpfel und Sternfrüchte - die würden sich in meinem Kühlschrank super machen.
Prima plemplem: Die Freuden des Dachschadens
I ch bin ein verzärtelter Hypochonder. Das wollte ich immer schon mal so frei heraus zugeben. Ich hänge mich an jeden Gesundheitstrend, jage ihm hinterher wie jemand, der kurz davor ist, einen Zug zu verpassen. Ich springe auf die letzte Treppenstufe des letzten Waggons auf, ich bin dabei. Denken Sie an irgendein Wellness-Wohlfühl-Schrottprodukt, und Sie können sich sicher sein: Ich
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