Operation Glueckskeks
wenn Du darüber nachdenkst, sondern erst, wenn Du sie ausprobierst.« Hallo? Was soll das denn bitte? Und wenn ich mir heute Morgen überlegt hätte, ob ich mal Heroin ausprobieren soll oder mich als Messerwerfer-Girl auf so eine drehende Scheibe bei einem Zigeunerzirkus binden lasse? Einfach ausprobieren, der Keks hat gesprochen? Gestern dieser hier: »Nicht jeder Ratschlag hat Hand und Fuß.« Hallo, Glückskeksspruchschreiber, kleine Selbstkritikphase eingelegt, was?
Drei Milliarden Kekse werden übrigens pro Jahr hergestellt, die meisten in den USA, für die Sprüche gibt es eine eigene
Datenbank mit 10 000 Sprüchen. Wamm! Das sind ernüchternde Fakten, so sympathisch wie die Information, dass die roten Weihnachtsmannklamotten eine Idee von Coca-Cola sind oder Verliebtsein letztlich nicht mehr ist als ein Chemieunfall im Gehirn. Viel besser ist diese Geschichte, die mein Freund Dirk in der New York Times gelesen hat: Vor einigen Jahren bekamen die Glückskekssprüche etwas Schräglage und einen Hang zum Morbiden. »Misstraue deinem Nächsten«, »Wo Licht ist, ist auch immer sehr viel Schatten«, »Dein Schicksal ist besiegelt!«, Sätze, wie man sie auf der Außenhaut eines klingonischen Raumschiffs erwartet, aber eben nicht in einem Glückskeks. Ein Reporter recherchierte den Stimmungswechsel und stellte fest: Einer der Spruchschreiber hatte Depressionen, seine miese Laune ergoss sich auf die kleinen Zettel und schwappte quasi per Keks in die Welt. Der Glückskeks-Autor wurde allerdings nach einiger Zeit kuriert - doch wie das?
»Dein Schicksal ist besiegelt!« - ein Satz, den man auf der Außenhaut eines klingonischen Raumschiffs erwartet, aber nicht in einem Glückskeks.
Ich stelle mir vor, wie der breitschultrige, asiatisch aussehende Boss der Glückskeksfabrik den Glückskeks-Texter in dessen Einzimmerwohnung in Brooklyn an einem Mittwochnachmittag besucht. Sie ist dunkel und muffig. Der Boss steigt
über die Pizzakartons am Boden, reicht dem blassen Autor eine Packung Johanniskraut (die mit den 600-Milligramm-Pillen) und gibt ihm die erste Tablette gleich zusammen mit einem Glas Sprudel. Dann macht er die Fenster auf, stellt die Joggingschuhe ordentlich vor den Kleiderschrank und klopft dem ziemlich blassen Texter auf die Schulter. Ich stelle mir vor, wie daraus eine Art ungeschickte Umarmung zwischen großen Jungs wird. Und der Boss sagt: »James, wir brauchen dich, Mann, jeder hat mal eine miese Phase, und es ist Zeit, dich aus deiner rauszustrampeln.« Dann trinken die Männer frisch gepressten Möhrensaft, die der breitschultrige Boss mitgebracht hat, und essen scharfe Kokosnuss-Suppe mit Hühnerstreifen. »So, James, wir gehen jetzt im Central Park eine Runde joggen, dann spendiere ich uns eine Runde Sonnenbank, und dann gucken wir uns alte Muppetshow-Folgen an. Und ich komme morgen wieder. Dann gucken wir die Waltons und trinken Ingwer-Brause, und ich koche was in deiner Küche. Bolognese?« Der traurige Glückstexter nickt mit verkniffenem Mund. Dann traben die Männer durch den Central Park. Am Ende des Tages schreibt James drei Sätze in sein Laptop: »Das Leben ist kein Ponyhof. Doch es gibt Freunde, Kekse und die Muppetshow. Es ist beschmiert, aber verdammte Axt, es gibt Hoffnung.«
Bolognese: Pasta Superstar
E s gibt einen heiligen Hunger. Und dieser ist nur durch Spaghetti Bolognese zu stillen. Der Bauch ist an solchen Tagen nicht leer; er ist wund. Man hat keinen Appetit, sondern der Magen ist verzweifelt. Der Blick ist trüb, die Knochen tun weh, im Gehirn regnet es. So müssen sich Hundewelpen fühlen, die man auf Autobahnraststätten an einen Gullideckel angebunden hat. Und die zusehen, wie die ehemaligen Besitzer davonbrausen.
Illu. 10
Doch dann passiert es. Man steht in der Küche einer Freundin oder eines Freundes und hört diesen Satz: »Ich mache gerade Bolognese, möchtest du auch?« Wummp! Die Gesichtszüge schmelzen, man will sich aus Dankbarkeit im warmen Olivenöl der Bratpfanne wälzen, während die beste Nudelsauce der Welt Gestalt annimmt, der Superstar, der Seelentröster Number one, bitte Standing Ovations für: die Bolognese, den fleischgewordenen
Beweis, dass Essen glücklich macht, Vegetarier die falsche Abzweigung genommen haben und nicht weniger verdienen als unser Mitgefühl.
Die Bolognese ist mehr als eine Sauce: Sie ist der Albtraum aller Angeber-Fernsehköche. Der Horror all jener, die glauben, Gutes müsse kompliziert und ein Leben ohne
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