Operation Ocean Emerald
Alarmbereitschaft! Heimlich! Ich schließe mich im Kontrollraum ein.«
Kapitän Karl-Heinz Hagen stand auf der Brücke, in seinem Kopf tobten die Gedanken. Als der Wolf seinerzeit beim Erstellen der Sicherheitsvorschriften im Krisenfall »Redwood« als Codewort vorgeschlagen hatte, hatte Hagen nicht einen Augenblick lang daran geglaubt, dass er dieses Wort je benutzen würde.
Auf der Brücke herrschte drückende Stille, die nur von den gelegentlichen Pieptönen der Navigationsgeräte unterbrochen wurde. Die Sonne verschwand allmählich hinter dem Horizont und an den Wolken, die im Südwesten aufzogen, hing ein grauer Schleier: Dort regnete es heftig. Hagen registrierte, dass die Wetterfront, die dem Regen vorausging, Wind aufkommen ließ, wodurch der Seegang immer stärker wurde und sich in immer dichterem Abstand weiße Schaumkronen auf dem dunklen Wasser bildeten.
»Unterbrechen Sie die Internetverbindung des Schiffes!«, befahl Delacroix entschlossen.
Hagen ging zu dem Armaturenbrett auf der rechten Seite, das voller Schalter und Knöpfe war. Delacroix folgte ihm.
Hagen führte die Hand zu einem schwarzen Schalter.
»Stopp«, sagte Delacroix. »Ich glaube nicht, dass man mit diesem Hebel die Internetverbindung unterbrechen kann.«
Hagen hielt in seiner Bewegung inne. »Wenn Sie gestatten, schließe ich auf den unteren Decks die Türen der wasserdichten Zwischenwände«, sagte er leise. »Sicherheitshalber.«
»Ihre Sorge um die Passagiere ist rührend. Aber am besten garantieren Sie die Sicherheit der Reisenden, indem Sie tun, was ich Ihnen sage.«
Mit Delacroix im Schlepptau begab sich Hagen zu den Computern im hinteren Teil der Brücke.
Der dritte Steuermann folgte ihnen mit dem Blick und legte die Hand auf seine eigene Steuerkonsole, wo sich die Zweitbedienungsvorrichtungen für die wichtigsten Funktionen des Schiffes befanden.
Er schaltete den Mechanismus ein, der auf den unteren Decks die Türen zwischen den wasserdichten Bereichen schloss, und sah zu, wie auf den Kontrollarmaturen die Bestätigung für das Schließen jeder einzelnen Tür erschien.
Kapitän Hagen griff zur Maus und schloss die über Satellit laufende Internetverbindung.
»Die Ersatzverbindung ebenfalls«, sagte Delacroix.
Hagen sah, dass die Entführer sich tatsächlich gut vorbereitethatten. Vielleicht hatten sie sich mit den wichtigsten Funktionen des Schiffes am Simulator irgendeiner Seefahrtsschule vertraut gemacht.
Ein Knoten zog sich in Hagens Bauch zusammen. Er ging zu einem anderen Armaturenbrett und versuchte möglichst unauffällig, die Hand zu einem bestimmten Knopf zu bewegen.
Er merkte, dass Delacroix’ Blick auf den Bildschirm des Computers gerichtet war, von dem aus der zweite Internetanschluss getrennt werden sollte. Er musste etwas unternehmen. Unterwürfigkeit gehörte nicht gerade zu Hagens Eigenschaften.
Mit einer raschen, aber ruhigen Bewegung löste er das automatische Notsignalsystem aus, das die Identifizierungsdaten und die Position des Schiffes anzeigte. Dank eines starken Senders war das GMDS S-Funksignal noch in mehreren Hundert Seemeilen Entfernung zu empfangen.
»Was haben Sie da gedrückt?«, fragte Delacroix. Seine dunklen Augen funkelten. »Das hätten Sie nicht tun sollen, Herr Kapitän …«
»Herr Kommandant, Notsignal von der Ocean Emerald!«
Der junge Marinesoldat reichte Jan van Heerevelt, dem Oberbefehlshaber der zur Königlichen Niederländischen Marine gehörenden Fregatte Tromp, ein Blatt Papier. Die HNMS Tromp war gerade zu einem zweitägigen Besuch in Tallinn gewesen und dort um vier Uhr am Nachmittag wieder ausgelaufen. Jetzt dampfte sie mit ihren Wärtsilä-Dieselaggregaten in einem Tempo von 18 Knoten inRichtung Westen. In der Abenddämmerung leuchteten Schaumkronen auf der unruhigen See.
»Nehmen Sie Verbindung mit der Ocean Emerald auf und teilen Sie mit, dass wir kommen. Fragen Sie, was auf dem Schiff passiert ist.«
Der Marinesoldat salutierte und entfernte sich in den Kontrollraum. Die Tromp war eines von vier Schiffen der De-Zeven-Provincien-Klasse. Das Scout-Radarsystem der Fregatte überwachte die Meeresoberfläche, indem es im günstigsten Fall nur ein Signal von einem Watt Leistung aussandte, um sich einem anderen Schiff nähern zu können, ohne selbst allzu leicht bemerkt zu werden.
Von der Tromp aus sah man jedoch die anderen: Das Luftradarsystem des Schiffes war in der Lage, tausend Ziele gleichzeitig zu beobachten und ein Objekt von der Größe
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